Hochwasser als Folge der Klimakrise

Bei den Überschwemmungen in Teilen Österreichs, Polens, Rumäniens und Tschechiens sind bisher mindestens 18 Menschen ums Leben gekommen, kilometerweit sind Felder und Straßen überschwemmt, Keller und Häuser vollgelaufen, Dämme und Deiche zerstört. »Die Hochwasser, die wir sehen, sind bedrückend«, findet Bundeskanzler Olaf Scholz. »Wir werden helfen, soweit wir können.«

Spätestens seit der Katastrophe im Ahrtal vor drei Jahren ist unstrittig, dass krasse Hochwasserlagen keine Seltenheit mehr sind. Im Gegenteil: Extremwetter wird zur Regel. Weil viele Regionen darauf nicht vorbereitet sind, ist nun immer häufiger mit enormen Schäden durch urplötzlich herabdonnernde Wassermassen zu rechnen. Diesmal trifft es Österreicher*innen und Osteuropäer*innen, aber beim nächsten Mal kann es auch wieder Gebiete in Deutschland treffen. Erinnert sei an das Hochwasser in Süddeutschland Anfang Juni, und an das Hochwasser an Weihnachten vor einem Jahr in Nordwestdeutschland und an der Ostseeküste.

Trotz einer kurzen nächtlichen Regenpause bleibt die Hochwasser-Situation im Osten Österreichs sehr angespannt. »Es besteht höchste Dammbruchgefahr«, hieß es von Seiten der Behörden. Das öffentliche Leben ruhe weitgehend. Mehr als 200 Straßen in Niederösterreich sind gesperrt, 1.800 Gebäude geräumt, viele Schüler*innen und Kinder seien zu Hause geblieben. Rund 3.500 Haushalte sind aktuell ohne Strom. Die Höhe der Schäden sei momentan nicht abzuschätzen. In Niederösterreich waren in den vergangenen Tagen regional bis zu 370 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen – ein Mehrfaches der üblichen Monatsmenge. Das Bundesland wurde bereits zum Katastrophengebiert erklärt.

Die Regierung in Warschau rief den Katastrophenzustand für die Hochwassergebiete aus. Die Maßnahme gilt für 30 Tage für Teile der Woiwodschaften Niederschlesien, Schlesien und Oppeln. Die polnische Regierung kündigte zugleich Soforthilfen in Höhe von mindestens einer Milliarde Zloty (230 Millionen Euro) an.

Anhaltende Regenfälle haben auch im Südwesten Polens an der Grenze zu Tschechien zu Hochwasser geführt. In der niederschlesischen Kleinstadt Klodzko standen ganze Straßenzüge unter Wasser. Das Dorf Glucholazy in der Region Oppeln wurde von Wassermassen verwüstet. In der Kleinstadt Nysa in der Region Oppeln drang das Wasser auf der Glatzer Neiße in das örtliche Kreiskrankenhaus ein, das komplett evakuiert werden musste. Der tschechische Regierungschef Petr Fiala sprach von einem sogenannten Jahrhunderthochwasser – also ein Hochwasser, das statistisch gesehen einmal im Jahrhundert an gleicher Stelle vorkommt.

Im Osten Deutschlands steigen die Wasserstände, obgleich sich die Lage dort bislang weniger dramatisch darstellt. In Dresden an der Elbe wurde der Richtwert der Alarmstufe 3 (6,00 Meter) erreicht. Zum Vergleich: Der Normalstand der Elbe beträgt am Dresdner Pegel rund zwei Meter, beim Jahrhunderthochwasser 2002 waren es am Höhepunkt 9,40 Meter. In Bayern bleibt die Hochwasserlage zwar angespannt. Schlimmer als jetzt wird es aber wohl nicht mehr, prognostizierte der Hochwassernachrichtendienst (HND) Bayern am Sonntag. Bis Dienstag werde es vor allem im Süden und Südosten des Freistaats teils ausdauernd regnen.


Die Folgen des Klimawandels

Nach Ansicht von Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) droht nach der Hochwasserkatastrophe in Österreich, Tschechien und Polen eine Zunahme solcher Wetterextreme. »Immer häufigere Hochwasser, Katastrophen wie im Ahrtal, dieses Jahr in Bayern – sie sind eine Folge der Klimakrise«, sagte Habeck. Deutschland müsse sich auf mehr Extremwetterereignisse einstellen und dafür Vorsorge treffen. Daher arbeite die Bundesregierung daran, den Hochwasserschutz auszubauen: »starke Deiche, Rückhaltesysteme, mehr Raum für Flüsse«. Bei diesen Maßnahmen gehe es vor allem um den Schutz von Menschen, erklärte der Klimaschutz- und Wirtschaftsminister.

In nur wenigen Tagen fielen in den betroffenen Regionen über 400 Liter Regen pro Quadratmeter. Für die enormen Regenmengen waren die hohen Wassertemperaturen des Mittelmeers im Sommer mitverantwortlich. Je höher die Wassertemperaturen sind, desto mehr Wasserdampf kann in die Luft gelangen und in Regenwolken umgewandelt werden. Ein Unwettertief führte feuchte Mittelmeerluft und Polarluft zusammen. Dort, wo die beiden aufeinandertrafen, entstanden mächtige Regenwolken.

Im Übergangsbereich zwischen der feuchten Mittelmeerluft und Polarluft bildeten sich mächtige Regenwolken. Normalerweise ziehen solche Tiefs auf einer sogenannten Fünf-b-Zugbahn von Norditalien weiter über Polen zur Ostsee. Das Unwettertief kam aber an der Ostsee nie an, weil Hochs den Weg nach Norden und Osten blockierten. Folglich blieb es fast stationär und es kam zu wiederkehrenden Starkregenfällen über den zuvor bereits betroffen Gebieten.

Anfang Juni hatte es auch Süddeutschland hart getroffen. Viele Landkreise riefen wegen schweren Hochwassers den Katastrophenfall aus, die Schäden waren gewaltig. Und derartige Extremsituationen dürften in Zukunft nicht seltener werden, wie aus einer Studie hervorgeht. In Deutschland sind demnach in den kommenden Jahren fast 400.000 Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Hochwasser-Ereignis betroffen – davon allein rund 190.800 Bewohner*innen entlang des Rheins und seiner Nebenflüsse.

Auch Menschen, die an der Elbe wohnen, sind stark betroffen, wie aus der Studie des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen (Ufu) im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion hervorgeht. Insgesamt seien hier etwa 98.800 Einwohner besonders gefährdet. Grundlage der Berechnung sind den Angaben zufolge Pläne der Bundesländer zum Hochwasserrisikomanagement. Die Autoren weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass sich die Daten zu Betroffenen wegen künftiger Veränderungen auch verschieben könnten. Frühere Hochwasser, etwa an der Oder, gäben außerdem Hinweise darauf, dass die berechnete Dimension eher eine untere Annahme darstelle.

Eine Studie im Auftrag der Versicherungswirtschaft (GDV) war im Februar zum Ergebnis gekommen, dass in Deutschland mehr als 300.000 Gebäude von Hochwasser bedroht sein könnten. Mit Blick auf Starkregen mahnen die Ufu-Forscher*innen an, die bisherigen Vorkehrungen auszuweiten. »Obwohl Starkregenereignisse nur kurzfristig vorhersehbar sind, bleibt der Aufbau von Monitoringsystemen und Vorhersagemodellen wichtig«, heißt es. Hier gehe das Land Hessen mit gutem Beispiel voran. Dort seien anwenderfreundliche Starkregen-Gefahrenkarten entwickelt worden, und es gebe ein kommunales Monitoring-System, das aus Sicht der Expert*innen bundesweit ausgebaut werden sollte.

Neben besseren Vorkehrungen wie stabilen Deichen und großen Überschwemmungsflächen sind gesetzliche Schritte nötig: Noch in dieser Legislaturperiode solle der Versicherungsschutz gegen Elementarschäden, die von Hochwasser verursacht werden, ausgeweitet werden. Ungebremst wird die Klimakrise nicht bezahlbar sein.

Bislang konnte sich die Bundesregierung mit den Ländern nicht auf die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden einigen. Während die Länder darauf dringen, eine möglichst flächendeckende Pflichtversicherung einzuführen, die Mieter*innen und Eigenheimbesitzer*innen finanziell aber nicht überfordern soll, stellt sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bislang dagegen.

Nach den Fluten an Ahr und Erft im Jahr 2021 belief sich der Gesamtschaden auf mehr als 40 Mrd. Euro. Die Befürworter einer Pflichtversicherung argumentieren, dass der Staat solche Summen nicht mehr allein aufbringen könne. Die Lasten müssten anders verteilt werden.


Klimaanpassungsstrategien noch nicht ausreichend

Eine deutliche Mehrheit der Städte und Gemeinden hat nach eigenen Angaben bereits mit heftigen Folgen zu kämpfen. Ein Großteil der Kommunen in Deutschland hat nach eigenen Angaben schon Extremwetterereignisse erlebt. Das geht aus einer repräsentativen Befragung von Landkreisen, Städten, Gemeinden und Gemeindeverbänden zur Klimaanpassung im Auftrag des Umweltbundesamtes hervor. So gaben 77% der deutschen Kommunen an, in den vergangenen zehn Jahren von den Folgen extremer Wetterereignisse und/oder anderen negativen Klimawandelfolgen betroffen gewesen zu sein. 16% verneinten das, und 7% machten keine Angaben oder gaben an, es nicht zu wissen. Zu den Ereignissen gehörten etwa Starkregen, lang anhaltende Hitzeperioden und Dürren.

Viele Kommunen nehmen den Ergebnissen zufolge den Klimawandel als bedrohlich wahr. So stimmten 87% der Aussage zu, dass die klimatischen Veränderungen vor allem negative Auswirkungen hätten. Eine Minderheit von 9% stimmt dieser Aussage nicht zu.

Trotz dieser Befürchtung haben die wenigsten Kommunen bereits einen spezifischen Plan für die Anpassung an Klimawandelfolgen ausgearbeitet. Nur etwas mehr als 12% der befragten Kommunen gaben an, bereits ein Klimaanpassungskonzept ausgearbeitet zu haben. Das heißt aber nicht, dass die anderen Kommunen sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen. Etwa 23% erstellen nach eigenen Angaben derzeit ein solches Konzept. Und 31% gaben beispielsweise an, das Thema Klimaanpassung in anderen Fachstrategien zu bearbeiten. Eine Mehrheit der befragten Kommunen ist also bereits aktiv.

Viele Kommunen sehen jedoch Hemmnisse und Schwierigkeiten bei der Klimaanpassung. 82% stimmten der Aussage zu, dass die »Verwaltungsstruktur« eine große Herausforderung darstelle. Es geht aber auch um fehlende Mittel und zu wenig Personal: Die insgesamt 678 Kommunen, die Maßnahmen planen oder umgesetzt zu haben, nennen als Barriere am häufigsten einen Mangel an personellen Ressourcen (80%) und finanziellen Ressourcen (73%).

Zum 1. Juli ist das Klimaanpassungsgesetz in Kraft getreten, das Bund, Länder und Kommunen dazu verpflichtet, entsprechende Strategien auszuarbeiten. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) fordert eine Grundgesetzänderung, um die Kosten für die Klimaanpassung fair zu verteilen und die Anpassungskosten zwischen Bund, Länder und Kommunen neu zu ordnen. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums liegt der Finanzbedarf dafür bis 2030 bei 38 Mrd. Euro. »Für eine dauerhafte Finanzierung spreche ich mich für eine neue Gemeinschaftsaufgabe Klimaanpassung aus. Das würde eine Verfassungsänderung bedeuten, damit der Bund gemeinsam mit den Ländern mehr Geld in Städte und Gemeinden investieren kann.«


Neue Verfassungsbeschwerde eingereicht

Angesichts der sich verschärfenden Folgen des Klimawandels bekommt die neue Verfassungsbeschwerde der Umweltorganisationen Greenpeace und Germanwatch wegen unzureichender Klimaschutzpolitik der Bundesregierung eine hohe Aufmerksamkeit. Es gebe mehr als 54.000 Mitkläger*innen, teilten die Verbände mit. Neben einem verfassungskonformen Klimaschutzgesetz werden auch konkrete Schritte zur CO₂-Reduktion im Verkehr gefordert. »Die Bundesregierung verschleppt wirksame und sozial gerechte Klimaschutz-Maßnahmen und verletzt damit Freiheits- und Gleichheitsrechte«, sagte die Rechtsanwältin der Beschwerdeführenden Roda Verheyen. »Um unsere Grundrechte zu wahren, müssen Emissionsreduktionen rechtzeitig eingeleitet und umgesetzt werden – die Novelle des Klimaschutzgesetzes erreicht genau das Gegenteil.«

Bereits 2021 hatten einige der Kläger*innen in Karlsruhe erfolgreich erwirkt, dass die Regierung im Rahmen des Grundgesetzes zum Klimaschutz und dem Schutz vor den Folgen des Klimawandels verpflichtet ist. Zudem dürfen entsprechende Maßnahmen nicht zulasten der jungen Generation verschoben werden. Die Kläger*innen kritisieren, dass die Bundesregierung trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2021 nicht ausreichend handelt, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Vor allem im Verkehrssektor würden die Ziele deutlich verfehlt. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) weigere sich, schnell wirksame Maßnahmen wie ein Tempolimit umzusetzen.

Die aktuelle Verfassungsbeschwerde ist nur eine von drei Beschwerden, die mehrere deutsche Umweltverbände gemeinsam mit weiteren Beschwerdeführenden gegen die unzureichende Klimapolitik einreichen. Neben Greenpeace und Germanwatch erheben auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam mit dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) jeweils eine Beschwerde. Auf die Entscheidung darf man gespannt sein.

Björn Radke / KV-Segeberg/OV-Amt-Trave-Land

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