„Ich trete sofort aus der unfairen, einseitigen Pariser Klimaabzocke aus“, erklärte der US-Präsident Trump bei der Unterzeichnung des Dekrets in Washington. „Die Vereinigten Staaten werden unsere eigene Industrie nicht sabotieren, während China ungestraft die Umwelt verschmutzt.“
Dieser Schritt des spektakulären Austritts der USA erschwert das Erreichen des 1,5 Grad Zieles erheblich. Dagegen erreichten die klaren Anzeichen des vom Menschen verursachten Klimawandels im Jahr 2024 neue Höhen, wobei einige der Folgen unumkehrbar über Hunderte, wenn nicht Tausende von Jahren waren, so ein neuer Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), der Ende März 2025 veröffentlicht wurde und auch die massiven wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen durch extreme Wetterbedingungen unterstrich. Die wichtigsten Botschaften:
• Wichtige Indikatoren für den Klimawandel erreichen erneut Rekordwerte
• Langfristige Erwärmung (im Durchschnitt über Jahrzehnte) bleibt unter 1,5°C
• Anstieg des Meeresspiegels und Erwärmung des Ozeans für Hunderte von Jahren unumkehrbar
• Rekord-Treibhausgaskonzentrationen in Kombination mit El Nio und anderen Faktoren, um 2024 Rekordwärme zu steigern
• Frühwarnungen und Klimadienstleistungen sind lebenswichtig, um Gemeinden und Wirtschaft zu schützen.
Der Bericht „State of the Global Climate“ der WMO bestätigte, dass 2024 wahrscheinlich das erste Kalenderjahr mehr als 1,5 °C über der vorindustriellen Ära lag, mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 1,55 bis 0,13 °C über dem Durchschnitt von 1850-1900. Dies ist das wärmste Jahr in der 175-Jahre-Beobachtungsbilanz. Auch soziale und wirtschaftliche Folgen nennt der Bericht: Extreme Wetterereignisse wie tropische Wirbelstürme, Überschwemmungen, Dürren und andere Gefahren zwangen vergangenes Jahr so viele Menschen zur Flucht wie seit 16 Jahren nicht. In Verbindung mit Konflikten und Dürren verschärften hohe Lebensmittelpreise in 18 Ländern bestehende Ernährungskrisen. Reiche Industriestaaten bekamen die Auswirkungen von Extremwetter ebenfalls zu spüren: So verursachten schwere Wirbelstürme an der US-amerikanischen Westküste wirtschaftliche Schäden in Höhe von mehreren Milliarden Dollar.
„Während ein einziges Jahr über 1,5 °C Erwärmung nicht darauf hinweist, dass die langfristigen Temperaturziele des Pariser Abkommens außer Reichweite sind, ist es ein Weckruf, dass wir die Risiken für unser Leben, unsere Wirtschaft und den Planeten erhöhen“, betonte WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo. Klimaleugner des menschengemachten Klimawandels konnten zu jeweils ein Jahr umfassende Studien zur Überschreitung der 1,5 C Erwärmung behaupten, dass diese kein Beweis für einen Klimawandel seien, sondern vielmehr einen „Ausreißer“ darstelle.
Während Klimaforscher üblicherweise Zeiträume von 20 Jahren betrachten, haben die Forscher Emanuele Bevacqua, Carl-Friedrich Schleussner und Jakob Zscheischler in einer neuen Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung nun analysiert, welche Schlüsse sich aus diesem einzelnen warmen Jahr 2024 ziehen lassen. Jakob Zscheischler erklärt den Forschungsansatz: „Es wurde lange immer gesagt, wenn ein Jahr über 1,5 Grad ist, bedeutet das noch nicht, dass das Pariser Abkommen damit gescheitert ist, weil das eben über einen längeren Zeitraum definiert ist.“ Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler Daten der weltweiten Wetterstationen. „Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass wenn wir ein bestimmtes Temperaturziel überschreiten, dann wird sie auch im längeren Mittel überschritten und wir kommen da nicht mehr darunter. Und in den Klimamodellen konnten wir sehen, dass das auch für 1,5 Grad gilt.“ Diese würden sich über die 20 Jahre des Berechnungszeitraums ausgleichen, so Jakob Zscheischler. Ihm zufolge ist das heiße Jahr 2024 somit kein Ausreißer, sondern ein deutliches Zeichen dafür, dass das 1,5-Grad-Ziel langfristig überschritten wird und es keinen Weg zurück gibt.
„Als Reaktion darauf intensivieren die WMO und die globale Gemeinschaft ihre Bemühungen, Frühwarnsysteme und Klimadienstleistungen zu stärken, um Entscheidungsträgern und der Gesellschaft insgesamt zu helfen, widerstandsfähiger gegen extremes Wetter und Klima zu sein. Wir kommen voran, müssen aber weiter gehen und müssen schneller gehen. Nur die Hälfte aller Länder weltweit verfügt über ausreichende Frühwarnsysteme. Das muss sich ändern“, sagte Celeste Saulo.
In einer separaten Studie zum Zusammenhang von Extremwetter-Ereignissen und Klimawandel hatte Ende 2024 Wissenschaftsinitiative World Weather Attribution (WWA) gefolgert, dass allein bei den 26 untersuchten Wetterereignissen im Jahr 2024 „der Klimawandel zum Tod von mindestens 3 700 Menschen und zur Vertreibung von Millionen von Menschen beigetragen hat“. Fast 200 weitere Ereignisse von extremen Überschwemmungen, Dürren oder Stürmen wurden in dieser Studie nicht erfasst. Die Forscher kamen daher zu dem Ergebnis, dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer in die Zehn- oder Hunderttausende“ gehen könnte.
Aus dem WMO-Bericht ergeben sich weitere beunruhigende Fakten:
• Der Zeitraum 2022-2024 stellt die negativste dreijährige Gletschermassenbilanz dar, die seit Beginn der Aufzeichnungen liegt. Sieben der zehn negativsten Massenbilanzjahre seit 1950 sind seit 2016 aufgetreten.
• Die 18 niedrigsten arktischen Meereis-Mindestaus, die in den letzten 18 Jahren auf dem Satellitenrekord liegen. Das jährliche Minimum und das Maximum der antarktischen Meereisausdehnung waren jeweils die zweitniedrigste im beobachteten Rekord von 1979.
• In der Antarktis war die minimale tägliche Ausdehnung, die für das 2. niedrigste Minimum in der Satellitenära gebunden war, das 3. Jahr in Folge, dass die minimale antarktische Meereisausdehnung unter 2 Millionen km2 fiel. Dies sind die drei niedrigsten antarktischen Eisminisa in der Satellitenaufzeichnung.
Extreme Wetterereignisse im Jahr 2024 führten zu den höchsten jährlichen Vertreibungen seit 2008 und zerstörten Häuser, kritische Infrastruktur, Wälder, Ackerland und Artenvielfalt. Die verstärkten Auswirkungen verschiedener Schocks, wie die Verschärfung von Konflikten, Dürre und hohe heimische Lebensmittelpreise, führten zu einer Verschlechterung der Nahrungsmittelkrisen in 18 Ländern weltweit bis Mitte 2022. Tropische Wirbelstürme waren für viele der schlagkräftigsten Ereignisse von 2024 verantwortlich. Dazu gehörten der Taifun Yagi in Vietnam, den Philippinen und Südchina.
In den Vereinigten Staaten landeten die Hurrikane Helene und Milton im Oktober an der Westküste Floridas als große Hurrikane, mit wirtschaftlichen Verlusten von zig Milliarden Dollar. Über 200 Tote waren mit den außergewöhnlichen Regenfällen und Überschwemmungen von Helene verbunden, die meisten in einem Hurrikan auf dem Festland der Vereinigten Staaten seit Katrina im Jahr 2005. Der tropische Zyklon Chido verursachte Verluste und wirtschaftliche Verluste auf der französischen Insel Maiotte, Mosambik und Malawi. Es verdrängte rund 100.000 Menschen in Mosambik.
Wie fossile Brennstoffe sich auf die Meere auswirken
Laut WMO-Bericht war auch der Wechsel von einer abkühlenden La-Nina- zu einer wärmenden El-Nino-Wetterlage ein Faktor, der zum Rekord von 2024 beitrug. 90 Prozent der überschüssigen atmosphärischen Wärme wird in unseren Meeren absorbiert. So wurde 2024 die stärkste Erwärmung der Ozeane in den letzten 65 Jahren verzeichnet. Eine solche Erwärmung wirkt sich auf die marinen Ökosysteme aus und führt zu einem Rückgang der biologischen Vielfalt und einer Verringerung der Fähigkeit der Ozeane, Kohlenstoff zu absorbieren. Ebenso wird die Erwärmung der Meere mit tropischen Stürmen und einer stärkeren Versauerung in Verbindung gebracht, was wiederum die Lebensräume der Meere und damit die Fischereiwirtschaft beeinträchtigt. Weil sich wärmeres Wasser ausdehnt und mehr Platz benötigt, ist auch das auch ein Faktor für den Anstieg des Meeresspiegels, der dem Bericht zufolge „kaskadenartig schädliche Auswirkungen auf die Küstenökosysteme und die Infrastruktur hat“. Der Anstieg des Meeresspiegels kann auch zu Überschwemmungsschäden und zur Verunreinigung des Grundwassers mit Salz aus dem Meer führen.
„Unser Planet sendet immer mehr Notsignale aus“, appellierte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, in einer Erklärung zum WMO-Bericht. „Aber dieser Bericht zeigt, dass eine Begrenzung des langfristigen globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius immer noch möglich ist. Es liege an den Staats- und Regierungschefs, „die Vorteile billiger, sauberer erneuerbarer Energien für ihre Menschen und Volkswirtschaften zu nutzen“.
Setzt die Welt deshalb auf erneuerbare Energien?
Erneuerbare Energien sind weltweit auf dem Vormarsch – und produzieren Strom billiger und sauberer als fossile Alternativen. Dennoch bäumen sich die fossilen Industrien noch einmal auf, um auf den letzten Metern noch Geld aus dem Geschäft mit Kohle, Öl und Gas zu ziehen. Zehn Jahre nach dem historischen Klimaabkommen in Paris planen Energiekonzerne wieder den Ausbau ihres fossilen Geschäfts und lassen ihre einstigen Klimapläne in der Versenkung verschwinden. Und das trotz der Warnung der Internationalen Energieagentur, dass schon seit 2021 keine neue fossile Energieinfrastruktur mehr gebaut werden darf, wenn die Welt das 1,5-Grad-Ziel erreichen will.

Während die globalen Emissionen bislang noch immer weitergewachsen sind, wurde die wichtige Klima-Grenze 2024 erstmals gerissen. Die anhaltend hohe Nachfrage nach fossilen Energieträgern, die schleppende Energiewende, politische Widerstände gegen Klimaschutzmaßnahmen und die mangelnde Wirtschaftlichkeit grüner Technologien führen dazu, dass viele Unternehmen, Banken und Staaten ihre ursprünglichen Klimapläne in großem Stil zurückziehen. Ein Überblick:
• BP: Das britische Ölunternehmen hat seine Investitionen in erneuerbare Energien um 5 Milliarden US-Dollar gekürzt und fördert wieder verstärkt Öl und Gas.
• Shell: Einst wollte das Ölunternehmen zum grünen Vorzeigeunternehmen werden und bis 2050 klimaneutral werden. Die Klimaziele wurden mittlerweile abgeschwächt oder komplett gestrichen – genau wie die eine Milliarde US-Dollar für Windprojekte.
• Equinor: Auch der norwegische Öl-Konzernhat seine Ausbaupläne für Windkraft bis 2030 erheblich gesenkt – von 16 auf zwölf Gigawatt.
• Ørsted: Der dänische Energiekonzern reduziert die Windpläne ebenfalls, Kürzungen und Job-Abbau um 25 Prozent stehen an.
• RWE: Deutschlands Energiekonzern hat indes auch angekündigt, seine geplanten Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Euro für Erneuerbare Energien bis 2030 könnten sich verzögern.
• Exxon & Chevron: Die US-amerikanischen Fossil-Firmen haben bislang ihre Öl- und Gasproduktion seit 2019 erhöht und ihren Aktienwert gesteigert.
Auch die Finanzinstitute und Banken sind weltweit eher zurückhaltend, was das Thema Klima angeht.
• Die sechs größten US-Banken sind aus der sogenannten Net Zero Banking Initiative (NZBA) ausgetreten, dem wichtigsten Klima-Bündnis der Finanzbranche. Die verbleibenden Banken überlegen, die Klima-Anforderungen der Mitglieder zu lockern.
• Blackrock ist aus der Net Zero Asset Management Initiative ausgestiegen, der Klima-Initiative der Vermögensverwalter-Branche. Der Austritt führte zur Auflösung der Initiative.
• Seit dem Pariser Abkommen haben die 60 größten Banken weltweit fast sieben Billionen US-Dollar in fossile Unternehmen investiert, davon 3,3 Billionen direkt in die Ausweitung der Produktion. Laut dem Bericht „Banking on Climate Chaos“ bleibt der Trend zu fossilen Investitionen ungebrochen.
Auch die Politik zögert mit ihren Klimaplänen, rudert zurück oder zeigt kaum erkennbaren Umsetzungswillen.
• USA: US-Präsident Donald Trump will die Förderung von Öl und Gas massiv ankurbeln. Gleich nach seinem Amtsantritt unterschrieb Donald Trump mehrere Dekrete, mit denen er einen radikalen Kurswechsel in der Klima- und Energiepolitik einleitete. Er rief den nationalen Energienotstand aus, will die Förderung fossiler Energien entfesseln und ihren Export in die ganze Welt steigern. Zudem steigen die USA aus dem Pariser Klimaabkommen zur Begrenzung der Erderwärmung aus, Zahlungen aus dem Inflation Reduction Act (IRA) und der Bau von Offshore-Anlagen sowie neuen Windparks an Land und an der Küste sind gestoppt. Das betrifft auch Projekte europäischer Energieunternehmen, zum Beispiel von Ørsted aus Dänemark, Shell aus den Niederlanden oder RWE aus Deutschland.
• EU: Noch gilt die EU als ambitionierte Klimamacht. Doch inzwischen wird das ehrgeizige Herzstück, der Green Deal, aufgeweicht. Dazu gehören die Verschiebung der Pkw-Flottengrenzwerte und Diskussionen über eine Verzögerung des Emissionshandels 2, was zu höheren CO2-Emissionen führt und die Klimafinanzierung gefährdet.
• China: produziert derzeit etwa doppelt so viele Emissionen wie die USA, die der zweitgrößte Verschmutzer sind, und ist für 90 Prozent der globalen CO2-Zunahme seit 2015 verantwortlich. Laut einer Analyse der im Großbritannien ansässigen Plattform für Klimawissenschaft und -politik Carbon Brief, übertreffen Chinas eigene historische Emissionen jedoch inzwischen die der Europäischen Union. Die Volksrepublik ist aber auch weltweit führend bei Investitionen in und den Ausbau von Ökostrom . Im Jahr 2023 investierte das Land 273 Milliarden Dollar in saubere Energie, gefolgt von Europa, das etwa halb soviel ausgab.
Fest steht: Die schwierige Lage der globalen Wirtschaft, gestiegene Energiekosten und die politische Unsicherheit erschwert vielen Unternehmen, Banken und auch Staaten weiterhin an den ehrgeizigen Klima-Plänen festzuhalten. Besonders in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit tendieren viele Unternehmen und Regierungen dazu, sich auf kurzfristige wirtschaftliche Ziele zu konzentrieren, anstatt in langfristige Klimastrategien zu investieren.
Der Markt allein wird es nicht richten
Als Ursache für den Rückgang werden in dem PwC-Bericht „State of Climate Tech“ die unsicheren wirtschaftlichen Bedingungen und die hohen Fremdkapitalkosten genannt. Diese Faktoren würden das Investitionsumfeld trüben, weshalb die Bereitstellung von Risikokapital- und Private-Equity-Investitionen deutlich gesunken ist. Diese Tendenz spiegle den generellen Rückgang an weltweiten Gesamtinvestitionen wider, heißt es. Für den Report hat PwC mehr als 12.000 Startups, 52.000 Deals und 600 Milliarden Dollar an Investments analysiert.

PwC State of Climate Tech Studie zum Earth Overshoot Day: Investitionen in Klimatechnologien brechen ein
„Unser derzeitiger Umgang mit Ressourcen ist nicht zukunftsfähig. Um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen, braucht es Investitionen in die richtigen Technologien“, sagt Agatha Kalandra, ESG-Leaderin und Vorständin von PwC Österreich. (…) Um keinen wettbewerbstechnischen Nachteil zu haben, warten Unternehmen oft ab, was sich innerhalb der Branche als neuer Standard durchsetzt. Andererseits müssen Betriebe in ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung grüne Veränderungen ausweisen.“
Es gibt aber einen Bereich, in dem die Nachfrage zugenommen hat. Gefragt sind nämlich Technologien, die auf die Anpassungen an Klimarisiken ausgerichtet sind. Dazu zählen etwa Hochwasserschutzsysteme, Dürremanagement-Technologien und hitzebeständige Baumaterialien. Diese Technologien machten 28 Prozent der untersuchten Climate-Tech-Deals aus und repräsentieren zwölf Prozent des gesamten Climate-Tech-Investitionsvolumens. Der Großteil der Investitionen entfiel jedoch erneut auf den Energiesektor, der mit 35 Prozent der Climate-Tech-Investitionen – ein Plus von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Ein weiteres Wachstumssegment sind KI-getriebene Klimatechnologien. Investitionen in diesem Bereich stiegen zuletzt von fünf Milliarden Dollar im Jahr 2023 auf sechs Milliarden Dollar in den ersten drei Quartalen 2024 – das entspricht 14,6 Prozent des gesamten Investitionsvolumens im Klimatechnologiesektor. Die wichtigsten Finanzierungssegmente waren dabei autonome Fahrzeuge (62 Prozent der KI-bezogenen Investitionen) und industrielle Anwendungen (20 Prozent) in den Bereichen Landwirtschaft, Smart Home und intelligente Energielösungen.
Die Investitionen fließen laut PwC aber immer noch nicht dorthin, wo die Emissionen am größten sind. Das ist ein Trend, der sich in den vergangenen Jahren bereits gezeigt hat. Der Industriesektor verursacht 34 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen, doch sein Anteil an Klimainvestitionen sank von 17 Prozent im Jahr 2023 auf sieben Prozent in den ersten drei Quartalen 2024. Damit bewegt sich dieser zwar immer noch in der Nähe des historischen Durchschnitts, steht aber in keinem guten Verhältnis zu den enormen Emissionsmengen, die dieser Sektor verursacht. „Gezielte Anreize wie steuerliche Vergünstigungen, Subventionen oder spezielle Förderprogramme könnten dazu beitragen, mehr Kapital in den Industriesektor zu lenken“, sagt Kalandra. Gleichzeitig sei eine stärkere Zusammenarbeit zwischen privaten Investoren, staatlichen Institutionen und Industriekonzernen nötig, um nachhaltige Technologien schneller zur Marktreife zu bringen.
Auch Deutschland steht nicht gut da
In Deutschland sind die Temperaturen nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes bereits um etwa 1,7 Grad gestiegen, denn Landflächen erwärmen sich schneller als der globale Durchschnitt. Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie warnt vor den Konsequenzen. Man werde sich darauf einstellen müssen, dass das Klima härter werde und massive Gefahren von der Erderwärmung ausgehen. „Zum Beispiel werden Hitzewellen häufiger, intensiver, länger anhaltend werden, starke Niederschläge werden zunehmen, genauso wird das Risiko von Dürren und Überschwemmungen zunehmen“, so der Klimaforscher. Trotz dieser ernüchternden Erkenntnisse gebe es aber noch Hoffnung: Die Studie zeige, dass bei schnellem Handeln eine Stabilisierung bei 1,5 Grad oder zumindest eine Begrenzung auf zwei Grad möglich ist – ein weiteres wichtiges Ziel des Pariser Klimaabkommens. Das baldige deutliche Verfehlen des 1,5-Grad-Ziels, so kritisiert Marotzke, werde von der Politik ignoriert, fast ungeachtet der politischen Ausrichtung. „Wir müssen uns nicht nur auf ein härteres Klima einstellen, sondern auch jetzt entschlossen handeln, um eine weitere Verschärfung der Situation zu verhindern.“
Die Bundesregierung hat die Klimaziele für das Jahr 2024 eingehalten: Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sanken im vergangenen Jahr um 3,4 Prozent auf 649 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Damit sei die gesetzlich erlaubte Emissionsmenge von 693,4 Millionen Tonnen „deutlich unterschritten“ worden, teilten das Umweltbundesamt (UBA) und das Bundeswirtschaftsministerium mit. Das Reduktionsziel für 2030 bleibe „in greifbarer Nähe“, sofern geltende klimapolitische Instrumente weiter konsequent umgesetzt würden. Der Klimaschutz sei auf Kurs gebracht worden und müsse nun „entschieden und ehrgeizig verfolgt werden“, erklärte Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne). „Alle Sektoren müssen ihren Beitrag leisten – vor allem beim Verkehr haben wir großen Nachholbedarf, bei Gebäuden haben wir die wichtigen Weichen gestellt, es braucht aber eine konsequente Umsetzung und Kontinuität.“
Ministerium und UBA verwiesen in ihrer gemeinsamen Pressemitteilung darauf, dass die einzelnen Sektoren einen sehr unterschiedlichen Beitrag zur Reduktion der Emissionen geleistet hätten. Ein überproportionaler Anteil gehe auf die Energiewirtschaft und dort vor allem auf die Stromerzeugung zurück, was am Ausbau der Erneuerbaren Energien liege. Der Verkehrssektor bleibe hingegen „weit entfernt von seinen Zielen“ und habe seine Emissionen nur um rund 1,4 Prozent gegenüber 2023 verringert. Auch im Gebäudesektor seien die Emissionsvorgaben nicht eingehalten worden. „Sektorübergreifend und langfristig besteht noch nicht ausreichend Planungssicherheit für die Transformation zur Treibhausgasneutralität“, erklärte das Umweltbundesamt. Betont wird die Bedeutung eines Hochlaufs der E-Mobilität, das Festhalten am Verbrenner-Ausstieg der EU 2035 sowie der Umstieg auf klimafreundliche Heizungen.
Die längerfristigen Prognosen sind demnach durchwachsen. Mit den jetzigen Maßnahmen erreiche Deutschland bis zum Jahr 2040 eine Minderung um rund 80 Prozent im Vergleich zu 1990, das Klimaschutzgesetz schreibe aber eine Minderung um mindestens 88 Prozent vor. „Für eine dauerhafte Treibhausgasneutralität ab 2045 ist es daher wichtig, sämtliche Minderungspotenziale zu heben“, hieß es daher weiter.
Umweltverbände äußerten sich kritisch zu den aktuellen Emissionswerten und warnten davor, dass Deutschland das Klimaziel einer Reduktion von 65 Prozent bis 2030 verfehlen werde. Die Klima-Allianz Deutschland forderte daher Union und SPD auf, sich in den Koalitionsverhandlungen auf ein umfangreiches Klimaschutzprogramm zu einigen und sprach sich gegen eine Rückabwicklung des Gebäudeenergiegesetzes sowie der EU-Regeln zum Abschied von fossilen Verbrennungsmotoren aus. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verlangte ein „Klimanotfallprogramm für Verkehr und Gebäude“.
Der Umweltverband WWF wies darauf hin, die Emissionsminderungen seien in erster Linie „aufgrund vorteilhafter Witterung und schwächelnder Wirtschaft“ erreicht worden. WWF-Klimachefin Viviane Raddatz warf Union und SPD vor, dass Klimaschutz in ihren Sondierungen bislang kaum eine Rolle gespielt habe. „Das muss sich ändern“, forderte auch der Politische Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals. Bisher sei das Land nicht auf einem Pfad zum sicheren Erreichen des 2030-Klimaziels.
„Die guten Zahlen für das vergangene Jahr dürfen niemanden täuschen: Ohne weitere Schritte verpasst Deutschland seine langfristigen Klimaziele“, warnte auch Marion Tiemann von Greenpeace. Sie führte die Probleme auch darauf zurück, dass „Klima-Bremser aus der Ampel und der Union Menschen und Unternehmen ständig verunsichert haben“, etwa bei Wärmepumpen oder E-Autos.
Angesichts dieser Tatsachen und Perspektiven mutet der Verlauf der Auseinandersetzung um die von den Grünen durchgesetzten 100 Mrd. Euro für Klimaschutz absurd an. Nur wenige Tage vor Abschluss der gemeinsamen Vereinbarung mit der »KleiKo« (CDU/CSU/SPD) hatte CDU-Chef Friedrich Merz denen hämisch zugerufen »Was wollen Sie denn noch?«, als diese sein 50 Mrd. Angebot für Klimaschutz zurückwiesen. Die Grünen haben als zukünftige Oppositionspartei den künftigen politischen Regierungsbeteiligten inhaltliche Ausrichtungen abgerungen. Auch das Ziel, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, soll in der neuen Vereinbarung verankert und zudem im Gesetz festgeschrieben werden, dass es sich bei den Finanzmitteln um »zusätzliche Investitionen« handelt.
Klima- und Umweltkrisen nicht verdrängen
Mit dem von den Grünen erreichten Verhandlungsergebnis muss die zukünftige Regierungspolitik zumindest programmatisch auch den Kampf gegen den Klimawandel bei der Modernisierung der Infrastruktur berücksichtigen. Die künftige Bundesregierung soll die Klima- und Umweltkrisen nicht verdrängen, fordern mehr als 7.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Gruppe „Scientists for Future“ in Bayreuth in einem Offenen Brief , der bisher von mehr als 7.200 Menschen unterzeichnet wurde. In einer Pressekonferenz kritisierten die Initiatoren, dass die Politik zu sehr auf Lobbyisten höre, statt wissenschaftliche Ergebnisse zu beherzigen. Die Resolution stellt fest: Weder Atomspaltung noch Kernfusion werden einen relevanten Beitrag zum Erreichen der deutschen Klimaziele leisten können – genauso wenig E-Fuels im Straßenverkehr oder die Gebäudeheizung. Stattdessen komme es für die Energiewende vor allem auf den Ausbau erneuerbarer Energien und Speichertechnologien an. „Es ist offensichtlich so, dass die Wissenschaft deutlich weiter ist, als der öffentliche Diskurs teilweise“, sagte Stefan Holzheu vom Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung dazu. Technologieoffenheit heiße nicht, Naturgesetze zu ignorieren. Die bestehenden Klimaschutzbestimmungen in Deutschland und der EU dürften nicht untergraben oder aufgeweicht werden. „Alle Bestrebungen, diese Regeln aufzuweichen, müssen entschieden zurückgewiesen werden.“
Der Bevölkerung gegenüber müsse von Seiten der Politik ehrlich kommuniziert werden, dass die Bekämpfung der Klimakrise Veränderungen in allen Lebensbereichen notwendig mache, heißt es weiter. Demokratische Parteien sollten diesen Herausforderungen nicht ausweichen, sondern sie lösungsorientiert angehen und dabei ihre Entscheidungen an den wissenschaftlich-technischen Fakten ausrichten. Der Appell der Forschenden hebt abschließend hervor, dass Klimaschutzpolitik in Deutschland nur erfolgreich sein könne, wenn es auch eine soziale Komponente gibt, um Klimaschutzmaßnahmen auch für ärmere Haushalte annehmbar zu gestalten. Zentral sei dafür die Rückzahlung von Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung in Form eines Klimagelds.
Die bisher bekannt gewordenen Verabredungen der zukünftigen schwarzroten Koalition deuten nicht auf eine ernstzunehmende Klimaschutzstrategie hin. Aus den Oppositionsparteien kommt entsprechend scharfe Kritik: Grünen-Fraktionschefin Dröge sagte, unter anderem stehe im Raum, das Deutschlandticket zu verteuern, den Kohleausstieg hinauszuzögern und neue Gasförderung im Inland zu ermöglichen. Dies sei eine klimapolitische Bankrotterklärung und zementiere die fossile Abhängigkeit auf Jahrzehnte. Der Linken-Politiker Fahl warf der möglichen künftigen Koalition vor, ambitionslos und hörig gegenüber Energiekonzernen zu sein. Die Umweltverbände Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe, WWF und BUND forderten die Beibehaltung des sogenannten Heizungsgesetzes. Dessen Abschaffung wäre ein fataler Rückschritt, schrieben die Verbände. Die geplanten Investitionen in die Infrastruktur und insbesondere die vorgesehenen 100 Mrd. Euro für den Klimaschutz markieren einen kleinen, aber wichtigen Schritt in Richtung einer klimaneutralen Zukunft. Denn trotz aller Verhinderungsstrategien gilt immer noch: Jedes zehntel Grad zählt.
Was folgt nach dem Ausstieg der USA aus dem Klimaschutz?
Der Ausstieg der USA aus dem Klimaschutzabkommen von Paris, mit dem sich über 190 Staaten verpflichtet haben, den menschgemachten Klimawandel zu begrenzen, ist nicht überraschend gekommen. Bereits im Wahlkampf hatte Trump mehrfach angekündigt, aus dem Pariser Klimaabkommen sowie dem Weltklimarat auszutreten. Kaum im Amt kam er diesem Versprechen nach und rief im nächsten Moment den „nationalen Energienotstand“ aus, um die Förderung fossiler Energie weiter zu beschleunigen. Eine Übersicht der Columbia University zählt bereits über 60 Änderungen oder Abschaffungen von Klimaverordnungen durch seine Regierung. Sogar die US-Umweltbehörde EPA hat angekündigt, bestehende Vorschriften zu kippen. „Wir treiben einen Dolch durch das Herz der Klimawandel-Religion und läuten Amerikas goldenes Zeitalter ein“, schrieb EPA-Chef Lee Zeldin in einem Gastbeitrag im Wall Street Journal.
Dass dieser Ausstieg aus dem Klimaschutz nicht nur eine symbolische Bedeutung hat, zeigen weitere konkrete Dekrete: Trump will die Genehmigung neuer Windenergieparks überprüfen, was faktisch einem Ausbau-Stopp gleichkommen dürfte. Gleichzeitig soll außerdem der nationale Energienotstand erklärt werden, um die Nutzung von Erdöl, Gas und Kohle zu vereinfachen und Genehmigungsverfahren hierfür zu beschleunigen. Bereits jetzt stehen die USA auf Platz 1 auf der Liste für Erdölressourcen und der Erdölförderung (18%) und auf Platz 5 bei den weltweiten Erdölexports (8 %). Die USA dominieren ebenfalls den Erdgasexport, noch vor Russland, Katar und Norwegen.
Wie sehr die ab jetzt nicht mehr eingesparten Emissionen die Erde tatsächlich aufheizen, hat Niklas Höhne vom New Climate Institute in Berlin ausgerechnet. Er sagt: Der direkte Klimaschaden, den die USA anrichten können, sei auf die USA begrenzt. Daher rechne er mit einem Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts, „den man fast nicht messen kann, also unter einem Zehntel Grad“. Der Trump-Faktor sei also „verkraftbar“. Einen größeren Effekt hätte es, wenn sich andere Länder anschließen würden.
Es ist unklar, ob die US-Regierung an dem nächsten Weltklimagipfel (COP 30) im November 2025 in Brasilien teilnehmen wird, aber die USA werden in jedem Fall eine kleinere Rolle spielen als vorher. Experten gehen davon aus, dass die EU und China bereit sein könnten, ihre Führungsrolle bei den Klimaverhandlungen auszubauen.
Trotz des Rückzugs der USA bekräftigten die teilnehmenden Staaten des Petersberger Klimadialogs Ende März in Berlin ihr Engagement für die Umsetzung des Pariser Abkommens und ambitionierte Klimaziele. Insbesondere Deutschland und Brasilien haben als Gastgeber manche Impulse gesetzt und den Weg für die Weltklimakonferenz in Brasilien (COP 30) geebnet. Christoph Bals, Politik-Vorstand bei Germanwatch, erklärt: „Der Dialog hat gezeigt, dass der internationale Klimaschutz auch ohne die USA weiter voranschreiten kann. Es ist positiv, dass viele Staaten ihre Ambitionen bekräftigt haben. Auch aus hochrangigen Kreisen der CDU kam ein deutliches, allerdings noch nicht sehr konkret gefülltes Versprechen für ein starkes internationales Klimaengagement Deutschlands. Es wurden jedoch noch zu wenige konkrete Maßnahmen vorgestellt, um die Lücke zwischen den aktuellen Klimazielen der Staaten und den Erfordernissen der Klimawissenschaft zu schließen.” Petter Lydén, Bereichsleiter für Internationale Klimapolitik bei Germanwatch, ergänzt: „Die Qualität der meisten eingereichten Klimaziele der Staaten (NDCs), etwa was Ziele für Erneuerbare Energien angeht, hat sich deutlich verbessert. Aber bisher sind erst gut 20 eingereicht, darunter nur fünf von G20-Staaten. Es ist jedoch ermutigend zu sehen, dass immerhin viele Länder ihr NDC vor der COP30 einreichen wollen, unter anderem China und die EU. An diesen Zielen wird sich ablesen lassen, ob die Welt dem Erreichen der Pariser Klimaziele entscheidend näher kommt.“ Der scheidende Bundeskanzler Scholz bekräftigte, dass Deutschland weiterhin voll hinter den Beschlüssen zur internationalen Klimafinanzierung der jüngsten Weltklimakonferenz steht.
Die Herausforderung besteht aber darin, der Klimakrise mit der nötigen Entschlossenheit zu begegnen. Besonders die Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Bewältigung von Klimawandelfolgen muss mit der gleichen politischen Priorität wie der Klimaschutz behandelt werden. Jetzt liegt es an den Verhandlerinnen und Verhandlern der COP 30 in Brasilien, aus den in Petersberg diskutierten Ansätzen konkrete Verpflichtungen zu machen. Auch die internationale Finanzierung für Klimaanpassung und den Umgang mit Verlusten und Schäden muss in Belém langfristig gesichert werden. Wie die Herausforderungen – die dringlicher denn je sind – ohne die Mittel der USA bewältigt werden sollen, bleibt leider im Dunkeln.
Björn Radke (OV Trave-Land, DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90
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