Plastikverschmutzung: UN findet keine Lösung!

Die UN-Konferenz zur weltweiten Plastikverschmutzung in Genf im August 2025 ist gescheitert. Die über 170 Staaten konnten sich über ein globales Abkommen nicht einigen. Umweltschützer hadern zwar mit dem Scheitern der Verhandlungen, sind sich aber einig, dass dieser Ausgang einem faulen Kompromiss vorzuziehen sei. „Kein Abkommen ist in diesem Fall besser als eines, das den Status quo auf UN-Ebene zementiert, anstatt eine echte Lösung für die Plastik-Krise zu sein“, sagte Florian Tize von der Umweltstiftung WWF.

Der Greenpeace-Plastikexperte Moritz Jäger-Roschk erklärte, „ein schwaches Abkommen wäre schlimmer als keines – es würde Stillstand als Fortschritt verkaufen“. Er kritisierte, die Auswirkungen der „Plastikkrise“ würden „weiterhin massiv unterschätzt“. „Um das Problem zu lösen, braucht es in Zukunft eine viel größere Aufmerksamkeit, auch auf höchster politischer Ebene“, erklärte Jäger-Roschko.

Auf massive Kritik stieß schon der Last-Minute-Vertragsentwurf des Konferenzvorsitzenden. Darin waren alle ehrgeizigen Ziele und Auflagen für Regierungen gestrichen worden. «Dieser Text ist inakzeptabel und liefert nicht einmal das Minimum, das nötig ist, um mit der Dringlichkeit der Herausforderung umzugehen», warnte der dänische Delegierte im Namen der 27 EU-Länder Selbst Öl-Produzent Saudi-Arabien, das eine Produktionsbegrenzung seit langem bekämpft, kritisierte den Text. «Der Text ist ein Geschenk an die petrochemische Industrie und ein Verrat an der Menschheit», meinte der Chef der Delegation der Umweltorganisation Greenpeace, Graham Forbes. Die Wurzel des Übels, die unermüdliche Plastik-Produktion, werde ignoriert.

Bereits seit 2022 ringen die Staaten auf UN-Ebene um eine Einigung, die die Umweltverschmutzung bis 2040 massiv reduziert und auch die Neuproduktion von Plastik beschränkt. Nach vier Sitzungen ist die Verhandlungsrunde in Genf die letzte der vereinbarten Zusammenkünfte. Das Bundesumweltministerium sieht die unterschiedlichen Interessenlagen: „Die Länder haben sehr unterschiedliche Interessen: erdölproduzierende Staaten, die den zentralen Rohstoff liefern, Länder mit weit entwickelter Produktion von Primärplastik und Plastikprodukten, Länder mit unzureichendem Abfallmanagement sowie die besonders von Plastikmüll betroffenen Länder wie zum Beispiel Kleine Inselstaaten.“

Ein von den USA geführtes Bündnis will, dass sich das Abkommen ausschließlich auf Plastikverschmutzung konzentriert. Eine von der EU angeführte Staatengruppe drängt hingegen darauf, auch die Produktion zu begrenzen. Zur EU-geführten Gruppe gehören neben Australien, Kanada, der Schweiz, Großbritannien auch große Teile Afrikas und Lateinamerikas sowie zahlreiche Inselstaaten. Sie fordern verbindliche Maßnahmen wie den Ausstieg aus besonders gefährlichen Chemikalien. Kleine Inselstaaten „werden nicht tatenlos zusehen, wie unsere Zukunft in einem Patt verscherbelt wird“, sagte Diplomatin Ilana Seid des Inselstaats Palau im Namen der 39 Mitglieder der Allianz der kleinen Inselstaaten (SIDS). Dagegen steht die von Russland und großen Erdölstaaten angeführte „Like-Minded Group“, die den Fokus auf Abfallwirtschaft und Recycling legen will. Die USA stellten sich vergangene Woche an deren Seite und forderten in einem Schreiben, eine Passage zu streichen, die sich auf die Plastikproduktion bezieht. Dennoch drängt die Zeit, darin ist sich die Wissenschaft einig. Denn es gilt als sicher, dass sich die Plastikproduktion in den nächsten zwanzig Jahren zunehmen wird.

Plastik dominiert den Alltag

Im Alltag gänzlich auf Plastik zu verzichten ist in etwa so schwer, wie auf Kleidung, Strom oder ein Dach über dem Kopf zu verzichten. Viele Länder recyceln zwar heute mehr Kunststoff als früher, produzieren aber auch immer mehr davon. Seit 1950 ist die Plastikproduktion um das 200-fache gestiegen, bis 2060 könnte sie sich noch einmal verdreifachen. Bereits 2019 verursachte Plastik 3,4 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. 2022 produzierte jeder Mensch in der EU im Schnitt 36 Kilogramm allein an Plastikverpackungsmüll – acht Kilogramm mehr als zehn Jahre zuvor. Ohne Gegenmaßnahmen wird der Anstieg der weltweiten Kunststoffproduktion bis 2060 voraussichtlich auf 1.200 Mt prognostiziert.
Auch die Verschmutzung durch Kunststoffe hat sich verschlimmert, und mittlerweile verschmutzen 8000 Mt Kunststoffabfälle den Planeten. Trotz jahrzehntelanger Bemühungen werden weniger als 10 % der Kunststoffe recycelt, sodass 90 % entweder verbrannt, deponiert oder in der Umwelt angesammelt werden. Im Gegensatz zu Papier, Glas, Stahl und Aluminium lassen sich chemisch komplexe Kunststoffe nicht ohne Weiteres recyceln. Es ist mittlerweile klar, dass die Welt sich nicht aus der Plastikverschmutzungskrise herausrecyceln kann. Die meisten Kunststoffe sind in der Umwelt weder biologisch abbaubar noch zerfallen sie in ihre Bestandteile, sondern zerfallen in immer kleinere Partikel (z. B. MNPs), die jahrzehntelang in Salz- und Süßwasser, an Land und in lebenden Organismen verbleiben können. Polymere wie PVC und einige Kunststoffchemikalien (z. B. PFAS), die auf Kohlenstoff-Halogen-Bindungen basieren, sind besonders langlebig. Die Folge ist, dass mindestens 80 % des Gewichts aller jemals hergestellten Kunststoffe noch immer in der Umwelt vorhanden sind. Ein Großteil dieser Kunststoffe landet letztendlich im Meer.

Gefährdung der weltweiten Gesundheit

Frühe Warnungen vor den ökologischen Gefahren durch Kunststoffe wurden in den 1960er und 1970er Jahren Realität, als Berichte über Plastikmüll auftauchten, der den Magen-Darm-Trakt von Seevögeln verstopfte, Meeresschildkröten verwickelte und Meeressäugetiere tötete. Das Potenzial von Kunststoffen, die menschliche Gesundheit zu schädigen, wurde in den 1970er Jahren erkannt, als vier Fälle von Leberangiosarkomen (bösartiger Lebertumor) bei Arbeitern in der Polyvinylchlorid (PVC)-Polymerisation beobachtet wurden, die beruflich Vinylchloridmonomer ausgesetzt waren. Weitere Gesundheitsschäden sind angesichts der hohen Zahl von Verletzungen, Erkrankungen und Todesfällen unter Arbeitern zu beobachten, die durch Fracking, Ölbohrungen und Kohlebergbau Kohlenstoffrohstoffe für die Kunststoffproduktion gewinnen. Erhöhte Raten von Totgeburten, Frühgeburten, Asthma und Leukämie in Gemeinden, die an Fracking-Bohrlöcher und Kunststoffproduktionsanlagen angrenzen, zeigen, dass die Schäden durch Kunststoffe über den Arbeitsplatz hinausgehen und Menschen jeden Alters betreffen. Nationale Biomonitoring-Studien stützen diese Ergebnisse und dokumentieren das Vorhandensein mehrerer weit verbreiteter Kunststoffchemikalien, darunter Bisphenole, Phthalate, bromierte Flammschutzmittel sowie perfluorierte und polyfluorierte Substanzen (PFAS) im Körper fast aller untersuchten Personen, einschließlich Neugeborener und schwangerer Frauen. Mikroplastik- und Nanoplastikpartikel (MNPs) werden zunehmend in menschlichen biologischen Proben nachgewiesen, darunter Blut, Muttermilch, Leber, Niere, Dickdarm, Plazenta, Lunge, Milz, Gehirn und Herz in Populationen weltweit. Außerdem sind bromierte Flammschutzmittel weit verbreitet in Hausstaub zu finden.

In einer Konsenserklärung aus dem Jahr 2020 wurde vor der Gesundheitsgefährdung durch mehrere Kunststoffchemikalien in Materialien mit Lebensmittelkontakt gewarnt. Nach Auswertung dieser Daten kam die Minderoo-Monaco-Kommission für Kunststoffe und menschliche Gesundheit im Jahr 2023 zu dem Schluss, dass Kunststoffe in jeder Phase ihres Lebenszyklus – bei der Rohstoffgewinnung, der Primärproduktion, der Produktherstellung, dem Transport, der Verwendung, dem Recycling und der anschließenden Entsorgung in die Umwelt – eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Planet darstellen. Plastik ist mittlerweile überall – längst nicht mehr nur als praktisches Material im Alltag, sondern in Böden und Meeren und in Form von Mikroplastik sogar in menschlichen Körpern. Die gesundheitlichen Folgen sind enorm: Eine neue Studie der Fachzeitschrift The Lancet spricht bereits von jährlichen Schäden von 1,5 Billionen Dollar für Regierungen und Steuerzahler, die durch Verletzungen, Behinderungen und Todesfälle entstehen.

Für Gegenmaßnahmen gibt es keinen Königsweg

„Wir benötigen Kunststoff in allen erdenklichen Lebensbereichen. Plastik ist bei uns untrennbar mit Wohlstand verbunden. Wenn es heißt, man solle Plastik abdrehen, wird mir immer ganz schwindlig“, sagt Jörg Fischer, Universitätsprofessor im Bereich Kunststofftechnik an der Johannes-Kepler-Universität Linz. „Das ist ein sehr zwiespältiges Thema: Einerseits wollen wir den Plastikkonsum einschränken, andererseits müssen auch Menschen in afrikanischen Ländern Zugang zu sauberem Trinkwasser haben – und dieses kommt in den meisten Fällen entweder aus Plastikflaschen oder aus Rohrleitungen aus Kunststoff“, sagt Fischer. Kunststoff werde gerne als Schuldiger dargestellt, in Wahrheit sei die Ursache für das Müllproblem aber unser Konsum, so Fischer. „Wir haben uns daran gewöhnt, dass viele Produkte günstig und von überall verfügbar sind.
Kunststoff und Globalisierung gehen gewissermaßen Hand in Hand, kaum ein anderer Werkstoff hat sich für den weltweiten Warentransport so stark durchgesetzt. Heute entfallen rund 40 Prozent des gesamten Plastiks allein auf Verpackungen. Sie sind aus vielen Bereichen, wie etwa der Medizin oder dem Lebensmittelbereich, schon aus hygienischen Gründen nicht wegzudenken.

Trotz der von der Wissenschaft vorgetragenen Studien wollen vor allem ölreiche Staaten den Fokus auf Recyclingprozesse statt auf Beschränkungen bei der Herstellung setzen. Auch bei der Finanzierung prallen verschiedene Interessen aufeinander: Entwicklungs- und Schwellenländer erwarten, von Industriestaaten bei der Bewältigung der Kosten unterstützt zu werden. Offen ist, wie genau das aussehen kann und inwieweit die Privatwirtschaft zur Übernahme der Kosten herangezogen wird. Mit globalen Regeln, die die Verursacher stärker in die Pflicht nehmen, könnte eine gerechtere Wertschöpfungskette für Plastik geschaffen werden und auch die Umwelt entlasten. Dies sei vor allem für ärmere Staaten wichtig, die einen besonders hohen Preis für die Auswirkungen des Plastikmülls zahlten. Greenpeace fordert, die Plastik-Neuproduktion bis 2040 um mindestens 75 Prozent zu reduzieren und Einwegplastik abzuschaffen. Zudem solle es einen sozial gerechten Übergang zu einer auf Wiederverwendung basierenden klimafreundlichen Wirtschaft geben.
Die Bekämpfung der Plastikkrise erfordert kontinuierliche Forschung in Verbindung mit wissenschaftlich fundierten Maßnahmen – Gesetze, Richtlinien, Überwachung, Durchsetzung, Anreize und Innovationen –, die andere Formen der Umweltverschmutzung erfolgreich und kosteneffizient bekämpft und Systemveränderungen vorangetrieben haben. Herstellerländer und Ölproduzenten der sogenannten „Like-Minded Coalition“, darunter Russland, Iran und Saudi Arabien, blockierten bisher eine stärkere Regulierung der Produktion. Sie wollen, dass ein Abkommen das Sammeln von Plastik, mehr Verbraucherinformation und höhere Recylingraten in den Fokus nimmt.

Zwar seien Recycling und Abfallmanagement ein wichtiger Teil zur Bekämpfung des Problems. Doch die Wirkung bleibe begrenzt, wenn nicht gleichzeitig die Plastikmenge reduziert werde, erklärt Melanie Bergmann, Meeresbiologin des Alfred-Wegener-Instituts. Deutschland gibt jedes Jahr 16 Milliarden Euro für die gesamte Abfallwirtschaft, Wasserreinigung und der Bekämpfung von Umweltverschmutzung aus, das sind etwa 0,4 Prozent des BIP. Und der Anteil des Plastikabfalls im System wächst stetig.
Nicht nur die Öl-Staaten und Produzenten von Kunststoffen stehen in der Verantwortung. Auch die westlichen Industrienationen wie Deutschland, Frankreich oder auch dem Vereinigten Königreich haben zu liefern. Mit rund acht Millionen Tonnen Kunststoffproduktion jährlich ist Deutschland mit Abstand der größte Plastikhersteller Europas, gefolgt von Belgien und Frankreich.

Weltweit kommt ein Drittel aller Kunststoffe aus China, knapp 20 Prozent aus anderen asiatischen Ländern und Nordamerika. In Nordamerika und Europa verbraucht jeder Mensch im Schnitt laut den Vereinten Nationen zwischen 85 und 94 kg Plastik pro Jahr. In China sind es 58 kg. Auch wenn die Länder der sogenannten High Ambition Koalition sich für ein ehrgeizigeres Abkommen einsetzt, gäbe es keinen klaren Vorschlag für ein verbindliches Ziel, weniger Plastik zu produzieren. Die Plastikproduktion weltweit müsste um mindestens 12 bis 19 Prozent zurückfahren müsse, allein um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.
Forschende arbeiten aber auch an anderen Plastik-Alternativen, wie zum Beispiel an Materialien auf Zellulosebasis, die sich im Meerwasser auflösen und auch gut recyceln lassen sollen. Noch müssen sich solche Materialien allerdings erst in größerem Maßstab durchsetzen und vor allem preislich an herkömmlichen Kunststoff herankommen. Und solange weltweit immer mehr Kunststoff gebraucht wird, haben es Alternativen schwer, mit diesem Wachstum mitzuhalten. Noch besser, als immer mehr Einwegprodukte nachhaltiger herzustellen und wieder zu recyceln, sind laut Forschenden Mehrweg-Verpackungen. Egal ob aus Bambus, Baumwolle, Glas, Metall, Edelstahl, Papier oder aus Plastik – jede Verpackung, die möglichst häufig verwendet wird, reduziert deren Umweltbelastung.

Als Teil der Lösung wird bei Wissenschaftlern und NGO´s auch die individuelle Änderung des Konsumverhaltens gesehen. Plastik zu vermeiden bedeutet oft auch, wieder regionaler zu denken, also den Käse oder das Fleisch vielleicht vom Bauern in der Nähe zu kaufen statt im Supermarkt. Großflächig wird man das Plastikmüllproblem allerdings nur gemeinschaftlich lösen – also indem möglichst viele Länder und Unternehmen sich auf einheitliche Standards einigen und die Recycling-Infrastruktur vorantreiben. Aber in diesen Zeiten der Aufkündigung weltweiter Abkommen durch die USA wird es immer schwieriger zu gemeinsamen verbindlichen Verabredungen zu kommen. Das Bewahren eigener Vorteile bestimmt zunehmend das globale Handeln. Keine gute Entwicklung.

Björn Radke / OV-Trave-Land / KV Segeberg / GRÜNE/Bündnis90


[1] Übersetzt mit deepl aus: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(25)01447-3/fulltext. Alle weiteren harten Fakten sind der Lancet -Studie entnommen.

[2] Die Vinylchlorid-Krankheit ist eine Erkrankung, die durch die Exposition gegenüber Vinylchlorid verursacht werden kann. Hauptkriterien sind Veränderungen an Leber, Speiseröhre, Milz, Haut und Durchblutung der Hand, Finger und deren Knochen. Die Krankheit ist als Berufskrankheit bei entsprechender Exposition anerkannt. (aus wikipedia)

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