
Wenige Tage vor Beginn der 30. Weltklimakonferenz vom 10. bis 21. November im brasilianischen Belém wächst der Druck auf die Delegationen, um zu einem akzeptablen Ergebnis zu kommen. Auf der Verhandlungsebene im Vorfeld sind zwar Klima-Beschlüsse gefasst worden, aber deren Umsetzung hinkt in den allermeisten Ländern hinterher, vor allem in den kapitalistischen Hauptländern, die eigentlich vorangehen müssten.
Ein zentrales Thema auf der diesjährigen COP ist der Abschluss der Verhandlungen zum Just Transition Work Program (JTWP) – eine wichtige Priorität der brasilianischen COP-Präsidentschaft. Just Transition ist das zentrale Element, um soziale Gerechtigkeit in der globalen Transformation ins Zentrum zu stellen und möglichst alle Bevölkerungsgruppen mitzunehmen. Zwar wurde es in der Präambel des Pariser Abkommens von 2015 erwähnt, doch einen eigenen Verhandlungsstrang gab es erst ab 2022.
Ermutigend ist die jüngste Allianzbildung progressiver Akteure – Gewerkschaften, feministische Gruppen, Klimabewegung und Jugendorganisationen –, die gemeinsam mit vielen Ländern des globalen Südens fordern, dass auf der COP30 ein internationaler Mechanismus für Just Transition verabschiedet wird. Dieser soll soziale Gerechtigkeit für Arbeitnehmer*innen und betroffene Gemeinden ins Zentrum rücken.
Nur mit ausreichender Finanzierung können ärmere Länder, die bisher kaum zum Klimawandel beigetragen haben, wichtige Maßnahmen dessen Minderung umsetzen – und sie sind auch nur dann dazu bereit. Zentral ist hier die Umsetzung der Beschlüsse zur Klimafinanzierung der letzten COP. Demnach sollen ab 2025 jährlich 300 Mrd. US-Dollar dafür durch Industrieländer wie Deutschland bereitgestellt und bis zu 1,3 Bio. US-Dollar durch zusätzliche Länder und Initiativen mobilisiert werden. Die durch den Rückzug der USA entstandene Lücke ist groß – und bislang ist nicht absehbar, dass sie geschlossen wird, insbesondere wenn die EU und Deutschland nicht bereit sind, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Alle Vertragsstaaten waren in diesem Jahr bereits aufgerufen, ihre nationalen Klimaschutzpläne (Nationally Determined Contributions – NDCs) zu aktualisieren – ein Ergebnis der ersten globalen Bestandsaufnahme auf der COP28 in Dubai. Dabei wurde auch eine Abkehr von fossilen Energien, die Verdreifachung erneuerbarer Energien sowie die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 vereinbart. Dies sind wichtige Ziele, die nun umgesetzt werden müssen – und an die die COP30 anknüpfen muss.
Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Die eingereichten NDCs sind unzureichend, und bislang haben überhaupt nur ein Drittel der Staaten ihre Pläne aktualisiert. Die EU etwa hat noch keine aktualisierten NDCs eingereicht. Zwar liegt ein Vorschlag vor, die Emissionen bis 2040 um 90% gegenüber 1990 zu reduzieren. Dieses Ziel sollte jedoch aufgrund von internen Widerständen aus dem Lager der Konservativen und Rechtspopulisten erst am 4. November 2025 in einer Sondersitzung des EU-Umweltrats beschlossen werden. Nun wollen die EU-Staaten ihren Treibhausgasausstoß bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 senken.
Tatsächlich sinkt der Anteil der in der EU erzielten Emissionsreduktionen damit auf rund 85 Prozent. Auch der geplante Start des neuen Emissionshandels für Verkehr und Gebäude (ETS2) wird um ein Jahr auf 2028 verschoben – ein weiteres Zugeständnis an jene Staaten, denen Klimaschutz eh zuviel Gewicht hat. „Statt echtem Klimaschutz ist da meistens nur heiße Luft drin, was man kauft,“ sagte der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss. Er sprach von politischem Selbstbetrug statt Klimaschutz. „Der Rat beschließt ein Ziel voller Revisionsklauseln, Senken-Ausreden und neuen Hintertüren“, so Bloss. „Weniger Klimaschutz für ein starkes Klimaziel, diese Gleichung geht nicht auf.“
Nicht zuletzt soll es dort auch darum gehen, ein globales Ziel für Klima-Anpassung festzulegen und mit Indikatoren zu unterlegen – ein solches Ziel existiert bislang nicht. Mit zunehmendem Klimawandel werden die Auswirkungen auf die arbeitende Bevölkerung gravierender. Der internationale Dachverband der Bau- und Holzarbeiter beschäftigt sich beispielsweise schon seit langem mit den Folgen von Hitzestress im Arbeitsumfeld. Und auch mit Blick auf die breitere Bevölkerung gilt: Ohne entsprechenden Schutz werden vor allem ärmere Bevölkerungsgruppen unter den Folgen der Klimakrise leiden, während reichere sich Schutzmaßnahmen leisten können.
Die Vorkonferenz legt vor
Bis zu 143 Länder haben ihre Teilnahme an der Vor-COP30-Klimakonferenz in Brasilien bestätigt, während die USA keine Pläne haben, hochrangige Beamte zu der Klimakonferenz zu entsenden, da die Trump-Administration die Nutzung fossiler Brennstoffe fördert. Diese Veranstaltung (eine Vor-COP30-Klimakonferenz) ist ein wichtiger Vorbereitungsschritt für die 30. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (COP30), die am selben Ort stattfinden soll.
Während die Trump-Regierung die COP30-Klimakonferenz offenbar ignoriert, erklärte die Bürgermeisterin der US-Stadt Phoenix, Kate Gallego, dass sie »gute Nachrichten aus den Vereinigten Staaten« bringe. Dann forderte sie anwesende US-amerikanische Stadtoberhäupter auf, ihre Hände zu heben. Es seien 50 US-Städte repräsentiert, die sich zu einem ehrgeizigen Klimaschutz verpflichtet hätten. Während die US-Bundesregierung Rückschritte mache, gingen diese Städte voran. Gallego sprach auch darüber, wie sich extreme Hitze auf ihre Stadt auswirkt, die in den vergangenen Jahren wiederholt Temperaturrekorde gebrochen hat. »In diesem Jahr haben wir 118 Grad Fahrenheit (ca. 48 °C) erreicht, und das nicht nur einmal, sondern zweimal.«
Bedeutsam ist auch der Beschluss der Bürgermeisterinnen zahlreicher internationaler Städte für ein gemeinsames Vorgehen gegen die Folgen der Erderwärmung. Bei dem Treffen in Rio de Janeiro sagte der UN-Sonderberater für den Klimawandel, Selwin Hart, dass die Bürgermeisterinnen an vorderster Linie im Kampf gegen die Klimakrise stünden. Politiker*innen auf kommunaler Ebene würden mehr denn je gebraucht, da die Welt in die zweite Dekade der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015 eintrete.
Sehr deutlich positionierte sich der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan. Seine Kolleg*innen seien »schon lange diejenigen, die beim Klimaschutz handeln, während zu viele Nationen und Staaten die Rolle der Klimabremser oder gar der Klimaleugner eingenommen haben«. Nun aber gehe die Herausforderung über den Kampf gegen die Leugnung des Klimawandels hinaus. »Jetzt ist es ein existenzieller Kampf zwischen den Klimazerstörern und den Klimaverteidigern«, betonte Khan. »Zu den Zerstörern gehört der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika – jemand, der noch vor wenigen Wochen bei den Vereinten Nationen auftrat und die Klimakrise als Schwindel bezeichnete.«
Die Bürgermeister*innen beschlossen die gemeinsame Initiative Cool Cities Accelerator, die ihre Städte auf eine heißere Zukunft vorbereiten soll. Danach soll eine Koalition aus 33 Städten sich verpflichten, etwa beim Ausbau von Frühwarnsystemen und einem verbesserten Zugang zu Kühlprojekten zusammenzuarbeiten. Zu den Partnern gehören etwa Austin im US-Staat Texas, Boston, Buenos Aires, Freetown in Sierra Leone, London, Nairobi, Phoenix, Paris und Singapur.
Innerhalb von fünf Jahren wollen die Städte zudem Baustandards verbessern, die städtische Begrünung und Beschattung ausweiten und die kritische Infrastruktur zukunftssicher machen. Organisiert wurde das Treffen von C40, einem Netzwerk von Bürgermeister*innen von Großstädten, die sich für mehr Mitsprache bei wegweisenden Klimaentscheidungen einsetzen.
Vorschläge, um die Klimaziele einzuhalten
Wie dringlich solche Initiativen sind, die auch konsequent umgesetzt werden müssten, zeigen die jüngsten Klimastudien. Der Bericht »The State of Climate Action 2025« enthält den bislang umfassendsten Fahrplan zur Schließung der globalen Lücke bei den Klimaschutzmaßnahmen, damit das Ziel des Pariser Abkommens erreicht werden kann, und bewertet die gemeinsamen Anstrengungen zur Bekämpfung der Klimakrise in wichtigen Sektoren.
Er kommt zu dem Schluss, dass die jüngsten Fortschritte bei der Erreichung der 1,5-Grad-Ziele weitgehend hinter den erforderlichen Zielen in Bezug auf Tempo und Umfang zurückgeblieben sind. Die weltweiten Anstrengungen bei 29 Indikatoren sind »weit vom Ziel entfernt«, sodass in diesem Jahrzehnt mindestens eine Verdopplung – und in den meisten Fällen sogar eine Vervierfachung – der Anstrengungen erforderlich sein wird, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen.
Um für 2030 auf Kurs zu kommen und für 2035 auf Kurs zu bleiben, müssen die Anstrengungen in allen Sektoren enorm beschleunigt werden. Die Welt muss beispielsweise:
- die Kohle mehr als zehnmal schneller auslaufen lassen – das entspricht der Stilllegung von fast 360 durchschnittlich großen Kohlekraftwerken pro Jahr und der Einstellung aller in Planung befindlichen Projekte.
- die Entwaldung neunmal schneller reduzieren. Das derzeitige Niveau ist viel zu hoch – es entspricht in etwa einem dauerhaften Verlust von fast 22 Fußballfeldern Wald pro Minute im Jahr 2024.
die Schnellverkehrsnetze fünfmal schneller ausbauen – das entspricht dem Bau von mindestens 1.400 km (870 Meilen) Stadtbahn-, U-Bahn- und Busspuren pro Jahr. - den Verbrauch von Rind-, Lamm- und Ziegenfleisch senken.
- den Verbrauch von Rind-, Lamm- und Ziegenfleisch in Regionen mit hohem Verbrauch um das Fünffache verringern – dies entspricht einer Verringerung des Verbrauchs um zwei oder weniger Portionen pro Woche in Nord- und Südamerika, Australien und Neuseeland.
- die technologische Kohlendioxidentfernung um mehr als das Zehnfache ausweiten– dies entspricht dem Bau von neun der derzeit größten Anlagen zur direkten Luftabscheidung, die derzeit jeden Monat gebaut werden.
- die Klimafinanzierung um fast eine Bio. US-Dollar pro Jahr erhöhen – das entspricht etwa zwei Dritteln der öffentlichen Finanzierung fossiler Brennstoffe im Jahr 2023.
Was wird sich davon in den Vereinbarungen der kommenden COP 30 wiederfinden?
6.11.2025 Björn

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