Am 9. November ist an die Reichspogromnacht vor 83 Jahren erinnert worden. In Bad Segeberg hat die jüdische Gemeinde zu diesem Anlass eine Gedenkstätte eröffnet. Sie steht in der Lübecker Straße – genau an dem Ort, wo früher die alte Synagoge war. Am 9. November 1938 plünderten und schändeten die Nazis das jüdische Gotteshaus. Die Fassade der ehemaligen Synagoge erinnert von nun an an das Haus, das hier einmal gestanden hat. Es erinnert auch an die ehemaligen Jüdischen Gemeindemitglieder der Stadt, die durch die Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben und ermordet wurden. 67 Menschen waren es in Bad Segeberg.
Betritt man über Stolpersteine die imaginierte offene Tür der Stahlkonstruktion, in der die Namen der Opfer auf einer Tafel abgebildet sind, soll man sofort das Gefühl bekommen, dass etwas fehlt, nämlich das schützende Dach und die schützenden Wände. Und wenn es regnet, spürt man das umso mehr, dass man völlig ungeschützt ist.
Am 15. November fand der zweite Teil der wichtigen Erinnerungs- und Gedenkwoche in Bad-Segeberg statt. In der Kurhausstraße 9 befand sich die Manufaktur für Rohwolle und Möbel von Adolf Levy – früher als Mitbegründer der Segeberger Badeanstalt und vieler humanitärer Einrichtungen, ein geachteter Bad Segeberger Bürger. Ab 1933 wurden jüdische Handelshäuser boykottiert, Hetzartikel in der Presse verbreitet und infolge dessen die jüdischen Mitbürger:innen unter breiter Zustimmung innerhalb der Segeberger Bevölkerung aus dem Stadleben vertrieben.
Vor der Galerie Peters, die sich heute in dem Haus befindet wurden nun elf Stolpersteine verlegt als Zeichen dafür, dass hier einst Menschen gelebt und gearbeitet haben. Stolpersteine gebe es zwar immer mehr, sagte Axel Winkler, Heimathistoriker und treibende Kraft hinter den kleinen Gedenktafeln. „Es ist aber relativ einmalig, dass hier so viele für nur eine Familie verlegt werden.“
Elf Namen stehen auf den Tafeln. Für Levy’s Frau Johanna und ihre zehn Kinder. Schüler:innen der Dahlmannschule in Bad Segeberg gelang es in einer szenischen Darstellung die Geschichte der Familie Levy eindringlich und berührend darzustellen. Eine Schülerin hat in einem großflächigen Bild zum Ausdruck gebracht, dass diese Familie nicht allein verfolgt, vertrieben und ermordet wurde.
Axel Winkler, der Initiator der Aktion berichtete, der erste und einzige Aufruf zur Finanzierung der Stolpersteine 2019 habe gereicht. „Einer kostet 120 Euro, das kann man schnell hochrechnen“, so Winkler. „Das ist ein gutes Zeichen für diese Stadt.“
Mittlerweile gibt es 34 Stolpersteine an zwölf Standorten in Bad Segeberg. Die Zahl der Stolpersteine ist noch nicht am Ende angelangt. Sie soll im kommenden Jahr offenbar verdoppelt werden. 30 bis 40 weitere Steine kündigt Axel Winkler an. Zu viele Geschichten seien noch nicht erzählt. Der Meinung sind wir GRÜNEN auch.
Text: Björn Radke
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