
Ein Großteil der Kommunen in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren von Extremwetter-Ereignissen betroffen gewesen. Das gehe aus einer repräsentativen Befragung von Landkreisen, Städten, Gemeinden und Gemeindeverbänden im Auftrag des Umweltbundesamtes hervor. Demnach gaben 77 Prozent der Kommunen an, von den Folgen extremer Wetterereignisse oder von anderen negativen Klimawandelfolgen betroffen gewesen zu sein. 16 Prozent verneinten dies, 7 Prozent machten keine Angaben oder erklärten, es nicht zu wissen. Zu den Ereignissen gehören etwa Starkregen, langanhaltende Hitzeperioden und Dürren.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) forderte eine Grundgesetzänderung, um die Verteilung der Klimaanpassungskosten zwischen Bund, Ländern und Kommunen neu zu ordnen. Die Länder und Kommunen könnten diese nicht alleine stemmen, sagte sie. Der Bund müsse – gemeinsam mit den Ländern – mehr Geld an die Städte und Gemeinden geben. Noch komplizierter ist die Verteilung der Kosten für Klimaanpassung auf internationaler Ebene.
Anfang November wird in Baku (Aserbaidschan) die nächste Weltklimakonferenz (COP 29) stattfinden. Dort wird die Finanzierung von Klimaschäden im Mittelpunkt stehen. Die steigenden weltweiten Temperatursteigerungen und die Zunahme von Wetterextremen erhöhen den Druck auf die Staatengemeinschaft endlich zu einer Einigung zu kommen. Im Jahr 2009 beschlossen die reicheren Länder bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar (92 Milliarden Euro) bereitzustellen, um Entwicklungsländern bei der Eindämmung und Bewältigung der Klimakrise zu helfen. Dieses Ziel wurde allerdings erstmals 2022 erreicht, so das Ergebnis der OECD Überprüfung. Die 100 Milliarden US Dollar jährlich reichen längst nicht aus, den fortschreitenden Auswirkungen des Klimawandels in den nächsten Jahren gerecht zu werden. Im Pariser Klimaabkommen hatten die Staaten vereinbart, noch vor dem Jahr 2025 ein neues Finanzziel zu beschließen.
Laut einer WRI Studie von 2021 muss die Klimafinanzierung bis 2030 auf mindestens fünf Billionen US-Dollar pro Jahr steigen. Der Grund: Die Industrieländer verbrennen weiterhin Kohle, Öl und Gas. Und durch den dadurch verursachten Temperaturanstieg nehmen die Hitzewellen und Dürren, Hochwasser und Überschwemmungen sowie Waldbrände zu und verwüsten immer mehr Orte auf der Welt. Um die globalen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 auf netto null zu reduzieren, müssen allein in den Entwicklungsländern (ohne China) dazu ab 2030 jedes Jahr 2.400 Milliarden US-Dollar pro Jahr investiert werden.
Ein Teil davon ist privates Kapital, etwa Investitionen in Wind- und Solarparks. Ein weiterer Teil sind eigene Mittel der jeweiligen Länder. Doch das wird nicht reichen: Reichere Länder werden ärmere Länder finanziell beim Kampf gegen die Klimakrise und die Anpassung an deren Folgen unterstützen müssen.
In Vorbereitung auf diese Konferenz geht der Streit um die jeweiligen Anteile der Finanzierung. Der britische entwicklungspolitische Thinktank ODI[1] stellt fest, dass mit Blick auf das Jahr 2025 nur vier Länder Zusagen zur Klimafinanzierung gemacht haben, die ihrem Anteil entsprechen: Norwegen, Schweden, Frankreich und Japan. Deutschland und Dänemark kommen dem sehr nahe, während die Niederlande kurzfristige Zusagen gemacht haben. Die Zusagen Australiens, Kanadas und der USA bleiben weiterhin weit hinter ihrem fairen Anteil zurück. Im Vergleich dazu verzeichnen Italien und insbesondere Spanien eine Steigerung ihrer Ambitionen bei der Klimafinanzierung. Desweiteren fordert der ODI, dass „Israel, Katar und Singapur mit der Klimafinanzierung beginnen sollten. Auch Brunei, Kuwait, Südkorea und die Vereinigten Arabischen Emirate übertreffen bei beiden Kriterien mindestens drei etablierte Geber. Auffallend ist, dass sich China nach unseren Kriterien nicht qualifiziert.“
Dagegen fordert der us-amerikanische Thinktank CGD[2], dass nicht-traditionelle Geber wie China, Russland, Südkorea, Saudi-Arabien, Taiwan, Polen, die Vereinigten Arabischen Emirate und Mexiko 20-30 Prozent der Gesamtsumme bereitstellen sollten. Zugestanden wird allerdings, dass die Industrieländer weiterhin die Hauptverantwortung übernehmen müssen. „Man könne sich der Schlussfolgerung kaum entziehen, dass sowohl die Vereinigten Staaten als auch China mehr bereitstellen müssen.“ Ob es tatsächlich zu einer Einigung kommen wird, ist höchst zweifelhaft, da China die Weltmarktführerschaft bei Klimaschutztechnologien erobert hat und auf seine erreichten Erfolge verweisen kann. 39 Prozent aller Windräder weltweit drehen sich in China. Rund ein Drittel aller Solaranlagen sind dort installiert und bei der Solarzellenproduktion beherrscht China über 90 Prozent des Weltmarkts. Auch bei der Elektromobilität ist das Land inzwischen führend. Betrachtet man die Gesamtemissionen aus der Nutzung fossiler Energien von 1850 bis heute, rutscht China auf den zweiten Platz, weit hinter den USA. Deutschland nimmt im historischen Negativranking übrigens den vierten Platz nach Russland ein. Selbst Indien mit seinen 1,4 Milliarden Menschen hat deutlich weniger Emissionen als Deutschland verursacht.
Weltweit nehmen Hitze und Trockenheit zu
Während die Verhandlungen über weltweite Abkommen zur gemeinsamen Bekämpfung der Folgen des Klimawandels nur zäh bzw. kaum vorankommen, werden die Folgen desselben Jahr für Jahr deutlicher. Der Copernicus Climate Change Service (C3S), der vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage im Auftrag der Europäischen Kommission mit finanzieller Unterstützung der EU durchgeführt wird, veröffentlicht regelmäßig monatliche Klimabulletins, die über die beobachteten Veränderungen der globalen Luft- und Meeresoberflächentemperaturen, der Meereisbedeckung und der hydrologischen Variablen berichten.
Globale Temperaturen
• August 2024 war (zusammen mit August 2023) der weltweit wärmste August mit einer durchschnittlichen ERA5-Oberflächentemperatur von 16,82°C, 0,71°C über dem August-Durchschnitt von 1991-2020.
• August 2024 lag 1,51°C über dem vorindustriellen Niveau und ist somit der 13. Monat in einem Zeitraum von 14 Monaten, in dem die globale durchschnittliche Oberflächenlufttemperatur 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau lag.*
• Die globale Durchschnittstemperatur für die vergangenen 12 Monate (September 2023 – August 2024) ist die höchste, die jemals für einen 12-Monats-Zeitraum aufgezeichnet wurde. Sie liegt 0,76°C über dem Durchschnitt von 1991-2020 und 1,64°C über dem vorindustriellen Durchschnitt von 1850-1900. Diese Werte sind identisch mit den Werten der beiden vorangegangenen 12-Monats-Zeiträume, die im Juni und Juli 2024 endeten.
• Die durchschnittliche globale Temperaturanomalie für das laufende Jahr (Januar-August 2024) liegt 0,70°C über dem Durchschnitt von 1991-2020, was der höchste Wert ist, der für diesen Zeitraum aufgezeichnet wurde, und ist 0,23°C wärmer als im gleichen Zeitraum 2023. Die durchschnittliche Anomalie für die verbleibenden Monate dieses Jahres müsste um mindestens 0,30°C sinken, damit 2024 nicht wärmer ist als 2023. Dies ist im gesamten ERA5-Datensatz noch nie vorgekommen, so dass es immer wahrscheinlicher wird, dass 2024 das wärmste Jahr in den Aufzeichnungen sein wird.
* Aufgrund der relativ geringen Abweichungen der globalen ERA5-Temperaturen für Juli und August 2023 sowie Mai, Juni und August 2024 von 1,5 °C und der Unterschiede zwischen den verschiedenen Datensätzen, werden die hier hervorgehobenen 13 Monate über 1,5 °C möglicherweise nicht durch andere Datensätze bestätigt.
Europa und andere Regionen
• Die durchschnittliche Temperatur auf dem europäischen Festland lag im August 2024 1,57 °C über dem Durchschnittswert für den Zeitraum 1991-2020. Damit war dieser Monat der zweitwärmste August in Europa nach dem August 2022, der 1,73 °C über dem Durchschnitt lag.
• In Europa lagen die Temperaturen vor allem in Süd- und Osteuropa über dem Durchschnitt, während sie in den nordwestlichen Teilen Irlands und des Vereinigten Königreichs, in Island, an der Westküste Portugals und in Südnorwegen unter dem Durchschnitt lagen.
• Außerhalb Europas waren die Temperaturen in der östlichen Antarktis, in Texas, Mexiko, Kanada, Nordostafrika, Iran, China, Japan und Australien überdurchschnittlich hoch.
• Unterdurchschnittliche Temperaturen herrschten im äußersten Osten Russlands und Alaskas, im Osten der Vereinigten Staaten, in Teilen des südlichen Südamerikas, in Pakistan und in der Sahelzone.
Meeresoberflächentemperatur
• Die durchschnittliche Meeresoberflächentemperatur (engl. Sea Surface Temperature; kurz: SST) für August 2024 über 60°S-60°N war mit 20,91°C der zweithöchste Wert, der für diesen Monat aufgezeichnet wurde, und nur 0,07°C niedriger als im August 2023.
• Der äquatoriale Pazifik wies unterdurchschnittliche Temperaturen auf, was auf eine sich entwickelnde La Niña hindeutet, aber die SST über den Ozeanen blieb in vielen Regionen ungewöhnlich hoch.

Samantha Burgess, stellvertretende Direktorin des Copernicus Climate Change Service (C3S), erklärt hierzu: „In den letzten drei Monaten des Jahres 2024 hat die Erde den heißesten Juni und August, den heißesten Tag und den heißesten borealen Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen erlebt. Diese Reihe von Temperaturrekorden erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass 2024 das wärmste Jahr aller Zeiten wird. Die temperaturbedingten Extremereignisse dieses Sommers werden nur noch intensiver werden, mit noch verheerenderen Folgen für die Menschen und den Planeten, wenn wir nicht dringend Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen ergreifen.“
Monatliche Anomalien der globalen Oberflächentemperatur seit Jahresbeginn im Vergleich zu 1991-2020 für die zehn wärmsten Jahre seit Aufzeichnung. 2024 ist mit einer roten Linie dargestellt, 2023 mit einer gelben Linie und alle anderen Jahre mit grauen Linien. Jeder Datenpunkt zeigt die durchschnittliche Anomalie von Januar bis zum entsprechenden Monat. So entspricht z. B. der Wert für August 2024 der durchschnittlichen Anomalie von Januar bis August 2024. Datenquelle: ERA5. Quelle: Copernicus Climate Change Service/ECMWF.
August 2024 – Hydrologische Highlights:
• Der August 2024 war in den meisten Teilen Kontinentaleuropas, einschließlich des südlichen Großbritanniens und Irlands, der Alpen, des Balkans, des Nordwestens Russlands und des östlichen Fennoskandiens, trockener als im Durchschnitt, wobei Gebiete im Süden und Osten von Dürre und Waldbränden betroffen waren.
• In Island, im Norden des Vereinigten Königreichs und Irlands, in weiten Teilen Fennoskandiens, an der Nordküste Kontinentaleuropas sowie in Westrussland und der Türkei fielen überdurchschnittliche Niederschläge, die in einigen Fällen zu Überschwemmungen und Schäden führten.
• Außerhalb Europas war der August 2024 über dem östlichen Nordamerika (teilweise in Verbindung mit dem Hurrikan Debby), Zentralrussland, Ostchina und Ostaustralien überdurchschnittlich feucht. Der indische Subkontinent wurde von Monsunregen und dem Zyklon Asna heimgesucht. Schwere Regenfälle führten zu Überschwemmungen im Sudan, in Äthiopien und Eritrea. Japan wurde vom Taifun Shanshan heimgesucht.
• Überdurchschnittlich trocken war es in Mexiko und im südlichen Nordamerika, in Regionen Russlands, in ganz China und in weiten Teilen Südamerikas und des südlichen Afrikas, mit Waldbränden in Kanada, Sibirien und Brasilien.
August 2024 – Meereseis Highlights:
• Die arktische Meereisausdehnung lag 17 Prozent unter dem Durchschnitt und war damit die viertniedrigste für den August in der Satellitenaufzeichnung, deutlich unterhalb des Durchschnittswerts für den gleichen Monat der letzten drei Jahre.
• Die Anomalien der Meereiskonzentration waren praktisch im gesamten Arktischen Ozean unterdurchschnittlich.
• Die antarktische Meereisausdehnung lag 7 Prozent unter dem Durchschnitt und war damit die zweitniedrigste Ausdehnung für den August in der Satellitenaufzeichnung, hinter dem Augustwert von -12 Prozent, der im Jahr 2023 beobachtet wurde.
• Die Anomalien der Meereiskonzentration im Südlichen Ozean wurden von stark unterdurchschnittlichen Konzentrationen im Sektor des Indischen Ozeans und stark überdurchschnittlichen Konzentrationen im Weddellmeer dominiert.
Highlights des borealen Sommers 2024:

Globale durchschnittliche Anomalien der Oberflächenlufttemperatur im Vergleich zu 1991-2020 für jeden borealen Sommer (Juni bis August) von 1979 bis 2024. Datenquelle: ERA5. Quelle: Copernicus Climate Change Service/ECMWF.
• Die globale Durchschnittstemperatur für den borealen Sommer (Juni-August) 2024 war mit 0,69°C über dem Durchschnitt von 1991-2020 für diese drei Monate die höchste seit Beginn der Aufzeichnungen und übertraf den vorherigen Rekord von Juni-August 2023 (0,66°C).
• Die durchschnittliche Temperatur auf dem europäischen Festland für den Sommer (Juni-August) 2024 war mit 1,54°C über dem Durchschnitt von 1991-2020 die höchste seit Beginn der Aufzeichnungen für diese Jahreszeit und übertraf den vorherigen Rekord von 2022 (1,34°C).
• Der Sommer 2024 war in West- und Nordeuropa überwiegend feuchter als im Durchschnitt.
• Im größten Teil des Mittelmeerraums und Osteuropas herrschte während der gesamten Sommersaison eine überdurchschnittliche Trockenheit, die in einigen Fällen mit Dürre einherging.
Drohende Einkommensverluste
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) berichtet in seiner jüngsten Veröffentlichung, selbst wenn Treibhausgas-Emissionen ab heute drastisch reduziert würden, müsste die Weltwirtschaft aufgrund des Klimawandels bis 2050 bereits mit einem Einkommensverlust von 19 Prozent rechnen, so eine jetzt in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie. Diese Schäden sind sechsmal höher als die Vermeidungskosten zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad. Auf der Grundlage von empirischen Daten aus mehr als 1.600 Regionen der letzten 40 Jahre haben Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) die zukünftigen Auswirkungen veränderter klimatischer Bedingungen auf das Wirtschaftswachstum berechnet. Diese Verluste werden durch unterschiedlichste wirtschaftsrelevante Wirkungen des Klimawandels verursacht, wie zum Beispiel Folgen für landwirtschaftliche Erträge, Arbeitsproduktivität oder Infrastruktur. Insgesamt schätzen die Forschenden die jährlichen Schäden im Jahr 2050 auf weltweit rund 38 Billionen. „Diese Schäden resultieren hauptsächlich aus dem Temperaturanstieg, aber auch aus Veränderungen bei den Niederschlägen und der Temperaturvariabilität. Die Berücksichtigung anderer Wetterextreme wie Stürme oder Waldbrände könnte sie noch weiter erhöhen.
„Unsere Studie zeigt, dass der Klimawandel innerhalb der nächsten 25 Jahre in fast allen Ländern der Welt massive wirtschaftliche Schäden verursachen wird, auch in Ländern wie Deutschland, Frankreich und den Vereinigten Staaten“, sagt PIK-Forscherin Leonie Wenz, die die Studie leitete. „Diese Schäden innerhalb der nächsten Jahre sind eine Folge unserer bisherigen Emissionen. Wenn wir zumindest einige davon vermeiden wollen, brauchen wir mehr Anpassungsmaßnahmen. Zusätzlich müssen wir unsere CO2-Emissionen drastisch und sofort reduzieren – andernfalls werden die wirtschaftlichen Verluste in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts noch höher sein und bis Ende des Jahrhunderts im globalen Durchschnitt bis zu 60 Prozent betragen. Es kostet uns viel weniger, das Klima zu schützen, als dies nicht zu tun – und zwar selbst dann, wenn man nur rein wirtschaftliche Auswirkungen berücksichtigt und weitere Folgen wie die Verluste von Menschenleben oder der biologischen Vielfalt außen vorlässt.“
In Deutschland hat die Mehrheit der Städte und Gemeinden hat nach eigenen Angaben bereits mit heftigen Folgen zu kämpfen. Das geht aus einer repräsentativen Befragung von Landkreisen, Städten, Gemeinden und Gemeindeverbänden zur Klimaanpassung im Auftrag des Umweltbundesamtes hervor, die dem Redaktions Netzwerk Deutschland (RND) exklusiv vorliegt. So gaben 77 Prozent der deutschen Kommunen an, in den vergangenen zehn Jahren von den Folgen extremer Wetterereignisse und/oder anderen negativen Klimawandelfolgen betroffen gewesen zu sein. 16 Prozent verneinten das, und 7 Prozent machten keine Angaben oder gaben an, es nicht zu wissen. Zu den Ereignissen gehörten etwa Starkregen, lang anhaltende Hitzeperioden und Dürren. Viele Kommunen nehmen den Ergebnissen zufolge den Klimawandel als bedrohlich wahr. So stimmten 87 Prozent der Aussage zu, dass die klimatischen Veränderungen vor allem negative Auswirkungen hätten. Eine Minderheit von 9 Prozent stimmt dieser Aussage nicht zu.
Nur etwas mehr als 12 Prozent der befragten Kommunen gaben an, bereits ein Klimaanpassungskonzept ausgearbeitet zu haben. Viele Kommunen sehen jedoch Hemmnisse und Schwierigkeiten bei der Klimaanpassung. 82 Prozent stimmten der Aussage zu, dass die „Verwaltungsstruktur“ eine große Herausforderung darstelle. Es geht aber auch um fehlende Mittel und zu wenig Personal: Die insgesamt 678 Kommunen, die Maßnahmen planen oder umgesetzt zu haben, nennen als Barriere am häufigsten einen Mangel an personellen Ressourcen (80 Prozent) und finanziellen Ressourcen (73 Prozent). Insgesamt wurden 4691 Landkreise, Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände zur Teilnahme an der Befragung eingeladen. 1062 Kommunen aus allen Bundesländern haben sich an der Erhebung beteiligt.
Länder, die den Klimawandel am wenigsten verursacht haben, sind am stärksten betroffen
„Unsere Studie verdeutlicht die erhebliche Ungleichheit der Klimafolgen: Zwar stellen wir fast überall Auswirkungen fest, insgesamt das 80-fache des derzeitigen Bundeshaushalts, aber die tropischen Länder sind am meisten betroffen. Weil es dort bereits wärmer ist schlägt dort der Klimawandel am heftigsten zu. Die Länder, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, werden voraussichtlich Einkommensverluste erleiden, die 60 Prozent höher sind als in den Ländern mit höherem Einkommen und 40 Prozent höher als in den Ländern mit höheren Emissionen. Sie verfügen auch über die geringsten Ressourcen, um sich an die Klimafolgen anzupassen. Die Entscheidung liegt bei uns: Ein Strukturwandel hin zu einem erneuerbaren Energiesystem ist für unsere Sicherheit notwendig und ist auch die ökonomisch vernünftige Lösung. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird der Klimawandel zu katastrophalen Folgen führen. Die Temperatur des Planeten kann nur stabilisiert werden, wenn wir aufhören Öl, Gas und Kohle zu verbrennen“, sagt Anders Levermann, Leiter der Forschungsabteilung Komplexitätsforschung am PIK und Autor der Studie.
In der Berliner Republik stockt es
In der Berliner Republik bremst der Widerstand gegen das Tempo der Transformation, Energiewende und Dekarbonisierung, vor allem getragen von der AFD, dem BSF und Teilen der CDU und auch Teilen in der Ampel (FDP) einen zügigen Fortgang dieser eigentlich notwenigen Prozesse der Umgestaltung. Zwar wurden seit dem Start der Ampel eine Reihe von Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg gebracht. Insbesondere im Stromsektor ist deren Wirkung zunehmend erkennbar. Die Gestaltung der Klimapolitik hat sich innerhalb der Regierungskoalition jedoch als insgesamt herausfordernd erwiesen. Die Debatten um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und das KTF Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben 2023 zusätzliche politische Energie gekostet. Vor diesem Hintergrund erscheint fraglich, inwieweit weitere Maßnahmen jenseits bereits laufender Prozesse von der Bundesregierung aktiv angestoßen werden.
Spätestens seit der Europawahl Anfang Juni mit dem Ergebnis einer deutlichen Schwächung der GRÜNEN und dem Einstieg des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als auch der Stärkung der rechtskonservativen Parteien ist von der großen Bereitschaft zur klimapolitischen Wende nicht mehr viel übriggeblieben. Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg wurde die rechtsextreme AFD deutlich stärkste politische Kraft, und mit dem BSW hat eine neue Kraft zugelegt, die den Verbrennermotor wiederhaben will und die Energiewende stoppen möchte.
Seit der Katastrophe im Ahrtal vor drei Jahren ist unstrittig, dass krasse Hochwasserlagen keine Seltenheit mehr sind. Im Gegenteil: Extremwetter wird zur Regel. Weil viele Regionen darauf nicht vorbereitet sind, ist nun immer häufiger mit enormen Schäden durch urplötzlich herabdonnernde Wassermassen zu rechnen. Diesmal trifft es Teile von Österreich, Polen Tschechien und Rumänien, aber beim nächsten Mal kann es auch wieder Gebiete in Deutschland treffen. Erinnert sei an das Hochwasser in Süddeutschland Anfang Juni, und an das Hochwasser an Weihnachten vor einem Jahr in Nordwestdeutschland und Ostseeküste.
Die AFD behauptet entgegen den klaren Befunden von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt, im Wahlprogramm zur Europawahl im Juni 2024, dass es keine besorgniserregende Veränderung des Weltklimas gibt. Sie bestreitet einfach die Zunahme dieser Katastrophen: „Auch seit der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren wechselte das Klima in Europa zwischen Phasen, die kälter oder wärmer waren als das aktuelle Klima. Die jetzigen klimatischen Veränderungen ordnen sich vollkommen normal – auch in ihrer Geschwindigkeit – in diese Wechsel ein. Trotz des durch Medien und Politik verbreiteten Alarmismus zeigen sich in der Realität weder vermehrte Extremwetterereignisse noch ein beschleunigt ansteigender Meeresspiegel.“
Nicht nur, dass es innerhalb der Ampel-Koalition immer wieder zu Kompromissen kommt, wie beim Klimaschutzgesetz, das im Ergebnis eine Aufweichung der bisher bestehenden Gesetzeslage in kauf nimmt. Auf den Einbruch der Verkaufszahlen der E-Autos bei den deutschen Autobauern, reagiert die Regierung mit dem Beschluss, die Anschaffung rein elektrischer Firmen- und Dienstwagen mit fast 2,9 Milliarden Euro zu fördern. Dazu wird auch die Preisobergrenze von bisher 70.000 auf 95.000 Euro angehoben. Für den Geschäftsführer der Plattform für nachhaltiges Investieren Wiwin, Matthias Willenbacher, handelt sich um ein „reines Geschenk an die FDP und an die deutschen Autohersteller, die den E‑Mobilitätstrend in den letzten fünf Jahren verschlafen haben. (…) Das Timing des Regierungsbeschlusses zur Steuerförderung ist vor diesem Hintergrund schon kabarettreif: Die FDP argumentiert ja– zusammen mit der Union– vehement gegen das sogenannte Verbrennerverbot ab 2035.“
Gleichwohl sind durchaus Fortschritte in der „Stromwende“ zu verzeichnen. Schon Anfang der 2000er Jahre begann die damalige Rot-Grüne Bundesregierung, dem Ökostromausbau mit garantierten Einspeisevergütungen auf die Füße zu helfen.
Das Ergebnis zeigt sich heute: Fast 89 Gigawatt Solaranlagen sind inzwischen am Netz, hinzu kommen Windräder mit einer Kapazität von 70 Gigawatt. Kernkraftwerke produzieren seit dem endgültigen Ausstieg im April vergangenen Jahres gar keinen Strom mehr. Auch viele Kohlekraftwerke haben den Markt schon verlassen – ihr Betrieb rentiert sich in Zeiten hoher Preise im europäischen Emissionshandel einfach nicht mehr. Das macht sich auch in Sachen Klimaschutz bemerkbar: Im vergangenen Jahr sind die CO2-Emissionen der deutschen Energiewirtschaft auf das niedrigste Niveau seit der Einführung des Handelssystems im Jahr 2005 gefallen, teilte das Umweltbundesamt in der vergangenen Woche mit.
Dagegen ist das Klimaschutzgesetz vor allem auf Druck der FDP abgeschwächt worden. Bisher galt: Wenn einzelne Sektoren wie der Verkehrs- oder Gebäudebereich gesetzliche Vorgaben zum Kohlendioxidausstoß verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien im nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen. Im vergangenen Jahr verfehlten der Verkehrs- sowie der Gebäudebereich die Vorgaben. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte mit drastischen Maßnahmen bis hin zu Fahrverboten am Wochenende gedroht, sollte der Bundestag die Reform des Klimaschutzgesetzes nicht bis Sommer beschließen – dann hätte Wissing ein Sofortprogramm vorlegen müssen, damit der Verkehrssektor die Klimaziele einhält.
Nun soll die Einhaltung der Klimaziele nun nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Entscheidend ist, dass Klimaziele insgesamt erreicht werden. Wenn sich in zwei aufeinander folgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregierung bei ihrem Klimaziel für das Jahr 2030 nicht auf Kurs ist, muss sie nachsteuern.
Angesichts der sich verschärfenden Folgen des Klimawandels bekommt die neue Verfassungsbeschwerde der Umweltorganisationen Greenpeace und Germanwatch wegen unzureichender Klimaschutzpolitik der Bundesregierung eine hohe Aufmerksamkeit. Es gebe mehr als 54.000 Mitklägerinnen und Mitkläger, teilte die Verbände mit. Neben einem verfassungskonformen Klimaschutzgesetz werden auch konkrete Schritte zur CO₂-Reduktion im Verkehr gefordert. „Die Bundesregierung verschleppt wirksame und sozial gerechte Klimaschutz-Maßnahmen und verletzt damit Freiheits- und Gleichheitsrechte“, teilte die Rechtsanwältin der Beschwerdeführenden, Roda Verheyen, mit. „Um unsere Grundrechte zu wahren, müssen Emissionsreduktionen rechtzeitig eingeleitet und umgesetzt werden – die Novelle des Klimaschutzgesetzes erreicht genau das Gegenteil.“
Bereits 2021 hatten einige der Kläger:innen in Karlsruhe erfolgreich erwirkt, dass die Regierung im Rahmen des Grundgesetzes zum Klimaschutz und dem Schutz vor den Folgen des Klimawandels verpflichtet ist. Zudem dürfen entsprechende Maßnahmen nicht zulasten der jungen Generation verschoben werden. Die Klägerinnen und Kläger kritisieren, dass die Bundesregierung trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2021 nicht ausreichend handelt, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Vor allem im Verkehrssektor würden die Ziele deutlich verfehlt. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) weigere sich, schnell wirksame Maßnahmen wie ein Tempolimit umzusetzen.
Die aktuelle Verfassungsbeschwerde ist nur eine von drei Beschwerden, die mehrere deutsche Umweltverbände gemeinsam mit weiteren Beschwerdeführenden gegen die unzureichende Klimapolitik einreichen. Neben Greenpeace und Germanwatch erheben auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam mit dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) jeweils eine Beschwerde. Auf die Entscheidung darf man gespannt sein.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) haben gemeinsam mit vier weiteren klagenden Personen beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erneut eine Klimaklage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht. „Die Bundesregierung schafft es nicht, den Herausforderungen der Klimakrise und ihren verfassungsrechtlichen Pflichten gerecht zu werden“, erklären beide Verbände übereinstimmend. Begründet wird die Klage so:
„Schon heute ist das Klima-Budget Deutschlands erschöpft. Stattdessen hat die Bundesregierung mit der Reform des Klimaschutzgesetzes 2024 durch die Aufgabe der Sektorziele und die Abschwächung des Überprüfungsmechanismus bei der Treibhausgasreduktion den Klimaschutz noch weiter erschwert. Auch Deutschlands konkrete Klimamaßnahmen reichen bei weitem nicht.“ Dadurch verstoße die deutsche Gesetzgebung gegen die Freiheitsrechte, das Recht auf Leben und Gesundheit und das Staatsziel Umweltschutz (Art. 2 Abs. 1, 2 Abs. 2, 20a GG). Denn der Klimawandel bedrohe die physischen Grundlagen unserer Freiheit, und auch eine lange verschleppte und dann in sehr kurzer Zeit anziehende Klimapolitik wäre nach dem BVerfG-Klima-Beschluss ein Grundrechtsproblem.“
Es ist noch nicht abzusehen, ob die gesteckten Ziele einer klimaneutralen Gesellschaft bis 2045 unter den aktuell gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen erreicht werden.
Björn Radke /KV-Segeberg/OV-Trave-Land
[1] Das Overseas Development Institute (ODI) ist eine 1960 gegründete Denkfabrik für globale Angelegenheiten. Seine Aufgabe ist es, „Menschen zu inspirieren, gegen Ungerechtigkeit und Ungleichheit vorzugehen, und zwar durch gemeinschaftliche Forschung und Ideen, die für die Menschen und den Planeten von Bedeutung sind“. Dies geschieht durch „Forschung, Einberufung und Beeinflussung, um neue Denkansätze und Zukunftspläne zu entwickeln, die einen tiefgreifenden Wandel herbeiführen. (Wikipedia)
[2] Das Center for Global Development (CGD) ist ein US-amerikanischer Thinktank mit Sitz in Washington, D.C. Zentrales Interesse des CGD ist die globale Entwicklung. CGD sieht seine Aufgabe darin „durch gründliche Forschung und aktives Engagement mit politischen Entscheidungsträgern auf politischen Wandel in den USA und anderen reichen Ländern hinzuarbeiten, um so die globale Armut und Ungleichheit zu reduzieren.“ (Wikipedia)
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